Die Kraft der leisen Töne – Ausnahme Saxophonist Wolf Codera begeisterte im Friedenshort

Erstellt von Henning Siebel - 28.6.2004 |

Freudenberg. „Wer beim Saxophon automatisch an ,Laut’ denkt, wird heute Abend enttäuscht“, kündigte Wolf Codera beim Konzert im Friedenshort an. Enttäuscht war jedoch niemand in der voll besetzten Friedenshort-Kapelle – eher fasziniert und am Ende sogar begeistert. Denn der Ausnahme-Saxophonist Wolf Codera ist ein Musiker der leisen Töne. Sanft, fast zärtlich perlen die Töne aus seinem Sopran-Saxophon, dessen äußere Form und Klang eher an eine Oboe erinnern. Federleicht, ein bisschen verträumt gar, sind seine Arrangements klassischer Choräle, die sparsam, aber dennoch virtuos von Dirk Benner am Keyboard begleitet werden. „Schließen Sie die Augen und lassen Sie sich ganz auf die Musik ein“, fordert der Wittener sein Publikum auf, nachdem er mit „Großer Gott wir loben Dich“ gleich seinen „Lieblings-Choral“ zum Auftakt präsentierte. Und dieser Aufforderung zum entspannten Konzert-Genuss kamen die Besucher gern nach. Auch Codera selbst spielt mit geschlossenen Augen, konzentriert, scheinbar versunken. Manchmal nur mit einem Hauch von Klang, so eben noch wahrnehmbar und gerade deshalb so wirkungsvoll. „Es ist unglaublich anstrengend, so leise zu spielen, manchmal muss ich mich geradezu zwingen, nicht fester zu blasen“, kommentiert der Künstler seinen genial-zurückhaltenden Umgang mit dem Saxophon. 12 Choräle – einer für jeden Monat des Kirchenjahres – sind auf seiner CD „Codera goes Choral“ vereinigt, die er am Samstagabend fast komplett präsentierte. Und es ist eigentlich ein „Choral-Best-Of“. „Jesu meine Freude“, „Gott ist gegenwärtig“ fehlen ebenso wenig wie „O Haupt voll Blut und Wunden“. Wichtig ist dem Musiker aber nicht nur die Melodik: „Wir haben die Choräle ganz bewusst auch aufgrund ihrer Aussagen ausgesucht“ stellt er heraus. So wird bei ihm zum Beispiel „Wie lieblich ist der Maien“ zu einer Variation in Moll, weil – so Codera – der Inhalt des Chorals keineswegs nur lieblich ist. Dass Choräle jedoch auch Ohrwurm-Qualitäten haben, bewiesen die beiden Musiker mit „Lobet den Herren“, den sie genial in die Hit-Melodie „Lemon Tree“ der Pop-Band „Fool’s Garden“ einpassten. Und das Publikum ließ sich nicht zweimal bitten, hier gesanglich mit einzustimmen. Ausschließlich leise ging es in der Friedenshort-Kapelle aber denn auch nicht zu. Mit einem fetzigen Gospel-Part als gelungenem Kontrast (Amazing Grace als stimmungsvoller Auftakt dieses Blocks), wusste Codera zum Abschluss zu begeistern und hatte im Publikum bei „Joshua fit the battle of Jerico“ einen perfekten Background-Chor. Am Ende hielt es bei Edwin Hawkins’ Gospel-Klassiker „Oh happy day“ niemand mehr auf den Sitzen, die Friedenshort-Kapelle „groovte“ und auch Dirk Benner konnte mit rasantem Spiel zeigen, warum er ein gefragter Tournee-Keyboarder ist, zuletzt zum Beispiel bei Peter Hofmann oder Michelle. Fazit: Ein Konzert-Genuss der besonderen Art – und eine besondere Form der Unterstützung. Denn mit der anstatt eines Eintritts eingesammelten Kollekte ist der Friedenshort bei seinem Indien-Projekt „Shanti“ zur Unterstützung behinderter Kinder wieder einen guten Schritt weiter gekommen. Und wer Wolf Codera noch einmal hören wollte, musste nicht lange warten. Am Sonntag gestaltete er zusammen mit Dirk Benner den Gottesdienst musikalisch.

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