„Keine Alternative zur Nächstenliebe“ – Friedenshort veranstaltete Fachtag zum Abschied von Regionalleiter Reinhard Wüst

Erstellt von Henning Siebel + Christina Hohmann |

Rund 200 Gäste waren zu der festlichen Verabschiedung gekommen, an die sich nachmittags ein buntes Programm mit Beiträgen aller Friedenshort-Regionen anschloss.

 Freudenberg/Siegen. Reinhard Wüst, Regionalleiter der Region West der Evangelischen Jugendhilfe Friedenshort GmbH, ist zum 1. September 2015 in den Ruhestand verabschiedet worden. Der Einladung zur festlichen Veranstaltung waren rund 200 Gäste gefolgt, darunter zahlreiche Vertreter der Stadt Siegen, des Kreises Siegen-Wittgenstein, der örtlichen und bundesweiten Diakonie sowie leitende Mitarbeitende des Friedenshortes. Das Thema der Fachvorträge hierfür hatte Reinhard Wüst selbst gewählt: „Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – eine Herausforderung für die öffentliche und freie Jugendhilfe“. 

 Zunächst würdigte jedoch Pfr. Leonhard Gronbach, Vorsitzender Geschäftsführer der Ev. Jugendhilfe Friedenshort GmbH, die besonderen Verdienste von Reinhard Wüst, der rund 35 Jahre lang für den Friedenshort tätig war, davon die meiste Zeit in leitender Funktion. Seine Arbeit habe nicht nur eine hohe edukative Fachlichkeit geprägt, sondern auch Menschlichkeit, Integrität und Verlässlichkeit. „Für die gemeinsame Zeit und den wegweisenden Aus- und Aufbau der Region West der Evangelischen Jugendhilfe Friedenshort und Ihren uneingeschränkten Einsatz haben wir Ihnen von Herzen zu danken“, so Pfr. Gronbach. Auch bei seinem langjährigen Einsatz in zahlreichen Fachgremien von Diakonie, Stadt und Kreis Siegen habe er deutliche Spuren hinterlassen. „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob“ – dieser Anspruch der Jahreslosung bleibe über alle Arbeit hinaus auch für die Zeit des Ruhestands bestehen.

"Kluge und wohlüberlegte Richtungen vorgegeben"

„Die Evangelische Jugendhilfe Friedenshort ist der große Partner der Stadt Siegen bei den stationären Hilfen zur Erziehung, aber auch bei den ambulanten Hilfen. Sie haben in unserer Zusammenarbeit kluge und wohlüberlegte Richtungen vorgegeben, die langfristig Bestand haben“, betonte Siegens Bürgermeister Steffen Mues in seinem Grußwort. Der „Meilenstein zur Flexibilisierung individueller Hilfen für Familien in Form von Sozialräumen“, sei zu einem hohen Anteil dem Engagement von Reinhard Wüst und seiner Philosophie zu verdanken. In weiteren Grußworten verliehen Dezernentin Helge Klinkert für den Kreis Siegen-Wittgenstein und Helga Siemens-Weilbring für die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe ihrer Wertschätzung Ausdruck. 

„Weitaus größter Teil ist wissbegierig und integrationswillig“

 Dieter Göbel, Fachbereichsleitung Jugend des LVR-Landesjugendamts in Köln, skizzierte in seinem Fachvortrag die aktuellen jugendhilfepolitischen Entwicklungen mit Blick auf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Besonderheit sei, dass diese Jugendlichen nicht den Weg des „normalen Asylverfahrens“ durchliefen, sondern in Anwendung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes zunächst in Obhut genommen würden. Im Rahmen eines anschließenden Klärungsverfahrens werde über die weitere Unterbringung entschieden. Ein Asylantrag werde dann ab der Volljährigkeit geprüft. Göbel verwies auf deutlich ansteigende Zahlen für diesen Personenkreis. Wurden in Deutschland im Jahr 2011 rund 3.500 minderjährige Flüchtlinge in Obhut genommen, so seien es im letzten Jahr bereits 12.000 gewesen und für das laufende Jahr gebe es bereits 18.000 Aufnahmen. Bei den Herkunftsländern liege Afghanistan an der Spitze, gefolgt von Syrien und Somalia. 

„Die soziale Arbeit mit diesen Kindern und Jugendlichen berührt das Herz der traditionellen Jugendhilfe: mittellos, elternlos ohne Bildungszugang und ohne Dach über dem Kopf. Diese Lebenssituation stellt für sich allein schon den erzieherischen Bedarf dar“, erläuterte Göbel. Allerdings dürfe auch nicht romantisiert werden. Nach den bisherigen Erfahrungen müssten rund 10 Prozent der Jugendlichen als delinquent eingeschätzt werden. Jedoch sei es nach seinen Erfahrungen erfreulich, dass der weitaus größte Teil der Jugendlichen wissbegierig und integrationswillig sei. Bei allen Problemen, die mit Blick auf weiter steigende Flüchtlingszahlen noch an Intensität zunehmen könnten, gebe es daher zur Nächstenliebe keine Alternative. Ähnlich äußerte sich Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland. Verfolgten Menschen Gastfreundschaft und Hilfe zu gewähren – dies gehöre zu den elementaren Aufgaben der Christenheit. Sie plädierte zudem dafür, die Unterbringung junger Flüchtlinge in geeigneten Familien zu prüfen, um Integration zu fördern und auch Schul- und Berufsausbildung zu ermöglichen. 

 „Benachteiligten Kindern und Jugendlichen Chancen zu geben für ein gelingendes Leben“ – das habe ihn all die Jahre über angetrieben, betonte Reinhard Wüst in seinem Resümee. Hierbei habe ihm der Friedenshort stets große Gestaltungsmöglichkeiten geboten: „Mein Beruf hat mir immer Freude gemacht. Ich gehe daher sehr zufrieden in den Ruhestand.“

Buntes Programm am Nachmittag

Nicht mehr fachlich, dafür aber sehr kurzweilig gestaltete sich die informelle Verabschiedung am Nachmittag. Hierzu hatten sich alle Regionen der Evangelischen Jugendhilfe Friedenshort etwas Besonderes einfallen lassen. Einen sehr persönlich gehaltenen, musikalischen Abschiedsgruß zu den Klängen von Helene Fischers „Atemlos“ präsentierte das Leitungsteam der Region West, die zudem ein „buntes Verdienstkreuz“ verlieh. Reinhard Wüst sei immer sehr geerdet, menschlich und wertschätzend gewesen, habe Klugheit, Stärke und Durchsetzungsfähigkeit gezeigt", betonte hierzu Bereichsleiter Frank Becker. Einige dieser Eigenschaften, dazu auch noch nicht ganz ernst gemeinte, kamen in einem "Graphic-Motion-Film" zum Tragen. Zahlreiche Einrichtungen und Gruppen der Region West erzählten auf fantasie- und humorvolle Art und Weise kleine Geschichten über sich selbst und über Begegnungen mit Reinhard Wüst. Bei der Region Nord musste Reinhard Wüst ein „Ruhestandscoaching“ durchlaufen, während die Kollegen der Region Süd allerlei Wortspiele und witzige Motive mit dem Namen „Wüst(e)“ zusammengestellt hatten. Weitere Grüße kamen aus Heiligengrabe und dem Tiele-Winckler-Haus, Berlin.

 Bei einem Mitarbeiterfest mit gottesdienstlicher Feier am Folgetag, hatten dann alle Mitarbeitenden ausreichend Gelegenheit, sich von Reinhard Wüst zu verabschieden – und bei zahlreichen Spiel- und Sportständen das eigene Geschick unter Beweis zu stellen. „Das hat mich alles schon ein wenig sprachlos gemacht“, zeigte sich Reinhard Wüst in sehr positivem Sinne überrascht von den zahlreichen Beirägen und Einfällen zu seiner Verabschiedung: „Ich danke euch allen von Herzen und ich werde euch vermissen.“

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