Erfahrungsfeld Familie

Erstellt von Christian Wagener |

Mitarbeitende aus allen Regionen und Arbeitsfeldern trafen sich in Mehltheuer zu Tagen mit Bibel und Gespräch.

Mehltheuer. Zweimal im Jahr treffen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen Regionen und Arbeitsfeldern zu Tagen mit Bibel und Gespräch im Gästehaus des Friedenshorts in Mehltheuer. Jedes Jahr wird eine andere biblische Schrift gemeinsam gelesen und zu den je persönlichen Lebenserfahrungen in Bezug gesetzt. Weil Ältere auf Jüngere treffen oder erfahrenere Bibelleser auf Kolleginnen und Kollegen, die nach einem Zugang zur Schrift suchen und ihre Fragen mitbringen, sind stets anregende Gespräche zu erwarten – und mit ihnen auch neue Perspektiven und Denkansätze. 

Erfahrungsfeld Familie, so waren die Tage mit Bibel und Gespräch in diesem Jahr überschrieben. Ihr Thema: Die Josefsgeschichte des 1.Mosebuches.
Ohne Zweifel: Familie ist wichtig. Familie prägt. Familie schützt. Doch sie ist auch der Ort für Missverständnisse, Enttäuschungen und schlecht verheilende Verletzungen. 

„Keine Familie kann das Schild heraushängen: ‚Hier ist alles in Ordnung‘“, sagt eine chinesische Weisheit. Das gilt auch für die Familie des Josef, der sich zu Höherem berufen weiß, als nur Hütejunge bei den Schafen seiner älteren Brüder zu sein. Arglos oder sträflich naiv erzählt er ihnen von seinen hochfliegenden Träumen, in denen sie sich vor ihm verneigen. Eine Anmaßung, ein bleibendes Ärgernis für die Brüder. Sie finden Gelegenheit, sich seiner zu entledigen. Josef wird verkauft und in Ägypten versklavt. 

In allem Unglück hält Josef daran fest, dass Gott mit ihm noch etwas vorhat und mit seinem Segen bei ihm ist. Doch Josefs Lebenserfolg lässt auf sich warten. Immer wieder gibt es Abbrüche und er muss von vorn beginnen. Josef verzweifelt nicht, er reift daran - und ist sich sicher: da kommt noch etwas. Er ist ein Erwartender, aber nicht in dem Sinne, dass er nur darauf wartet, dass Gott endlich tut, was er versprochen hat, sondern in dem er selbst mit vollem Einsatz leistet, was ihm möglich ist. So macht er schließlich doch sein Glück, wird zu einem einflussreichen Mann in Ägypten und gründet eine eigene Familie. 

Aber Gott gedachte es gut zu machen

„Man sieht sich immer zweimal im Leben“, heißt es. Die Josefsgeschichte bestätigt es. Als in Kanaan Hungersnot herrscht, kommen die Brüder als Bittsteller zu Josef. Josefs Traum aus seinen Jugendtagen erfüllt sich. 

Am Ende verzichtet Josef auf Rache an seinen Brüdern, auf Genugtuung - auch weil er erkennt, dass Gott ihn in diese Position gebracht hat, damit er Leben rette: nicht nur das eigene, sondern das der ganzen Familie. "Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen", ist Josefs Resümee über die gemeinsame Geschichte. 

"Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen!" Ob Dietrich Bonhoeffer diesen Satz im Blick auf die Josefsgeschichte formuliert hat? Daran jedenfalls erinnert diese wunderbare alttestamentliche Erzählung: Gottes Vorsehung ist eine Vor-Sicht, eine Vor-Sorge, aber keine Bestimmung, so, als konnte es gar nicht anders kommen. Wir Menschen bleiben in unseren Entscheidungen frei. Gott aber ist seinerseits so frei, selbst unsere Fehlentscheidungen und Fehlleistungen zu gebrauchen, um daraus Zukunft und Leben erwachsen zu lassen - für die ganze Familie der Kinder Gottes. 

„Keine Familie kann das Schild heraushängen: ‚Hier ist alles in Ordnung‘“. Das ist wahr. Wohl der Familie, in der jedes Mitglied weiß, was es am anderen hat, wo man sich der eigenen Gaben und Grenzen bewusst ist und die der Nächsten auch, in der vor allem aber nicht vergessen wird, dass Gott mitgeht, er, der stärker ist als die Schuld, die wir aneinander begehen und der mehr zu geben weiß als das, was wir einander fehlen lassen. Gott hat Wege zum Leben für jede und jeden einzelnen, so dass wir einander das Glück nicht neiden und Schuld nicht nachtragen müssen. Im Vertrauen, dass Gott uns an ein gutes Ziel bringen wird, können wir lernen, einander zu verzeihen oder uns miteinander zu versöhnen und als Familie - auch als Familie der Kinder Gottes - segensreich leben. 

Die Tage mit Bibel und Gespräch laden ein, den Alltag hinter sich zu lassen, sich für ein paar Tage konzentriert einzulassen auf Gottes Wort, um neu hinzuhören auf das, was Gott uns zu sagen hat: gleichgültig wie geübt wir darin bereits sind. Wir können nur voneinander lernen: die Gefestigten im Glauben und die Fragenden. Dies wurde aus den Rückmeldungen der Teilnehmenden deutlich. 

So eignen sich diese Tage gleichermaßen für die Anfänger wie die Fortgeschrittenen im Bibellesen. Mögen sie als Ermutigung dienen, durch alle Schwierigkeiten hindurch Gott nicht loszulassen, ihm vielmehr unseren Lebensweg anzuvertrauen - ohne die eigenen Hände in den Schoß zu legen. 

Die Tage mit Bibel und Gespräch ermöglichen aber nicht nur Begegnungen mit der Bibel und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den verschiedenen Regionen des Friedenshorts. Sie lassen auch die Umgebung von Mehltheuer entdecken. So wurde uns im November dieses Jahres eine denkwürdige Audienz bei Herzogin Christiane von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glückburg in ihrem Geburtsort Eisenberg gewährt. Auch sie wusste allerlei Erheiterndes und Erhellendes zu berichten - über das, was uns alle prägt und schützt, bisweilen aber auch aufregt: Familie. 

Auch im Jahr 2015 werden im Frühjahr und Herbst für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Friedenshorts Tage mit Bibel und Gespräch angeboten. Lassen Sie sich herzlich dazu einladen.

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