"Eine wirklich gute Zusammenarbeit"

Erstellt von Henning Siebel |

Geografisch liegen die Wohngruppen Kohlenbach (Siegen-Eiserfeld) und Zeil (Siegen-Niederschelden) mit ihren dazugehörigen Verselbständigungs- und Mutter-Kind-Bereichen nicht weit auseinander. Ganz eng beieinander ist das »Verselbständigungsteam« beider Einrichtungen, das sich als Einheit versteht – und dies auch praktisch umsetzt, wie im Interview deutlich wird. Zum Team (einschl. FSJ/Praktikum) gehören derzeit Melanie Schmidt-Benner, Katja Kaiser, Jutta Ax, Heike Röcher, Stefanie Röcher, Sina Wick und Saskia Husemann.

H.S.: Was kennzeichnet diesen Bereich, der an der WG Kohlenbach angegliedert ist und gibt es einen Unterschied zur WG Zeil?  

Schmidt-Benner: Wir haben viele Belegungen von Jugendlichen, die zur Verselbständigung aufgenommen werden. Hinzu kommen dann die Jugendlichen, die schon länger in unserer Wohngruppe leben und sich von ihrer Entwicklung her so stabilisiert haben, dass eine Verselbständigung möglich ist. Hier bietet die Angliederung an die Wohngruppe natürlich den Vorteil, sehr individuell vorgehen zu können, je nachdem wie fit die Jugendlichen schon sind. So kann zum Beispiel die Anbindung an die Wohngruppe bestehen bleiben und man macht erstmal einen Termin pro Woche für Kernthemen wie Kochen, Haushaltsführung oder Finanzen. 

S. Röcher: In der Zeil ist es dann konzeptionell etwas anders, weil wir dort durchweg jüngere Kinder haben. Daher wird der Verselbständigungsbereich momentan durchweg extern belegt. Die allererste Belegung war allerdings ein Wechsel eines Jugendlichen von Eiserfeld nach Niederschelden. 


H.S.: 
Wie ist das »Zusammenwachsen« des Teams vonstatten gegangen?

Ax:
 Gemeinsame Team-Sitzungen hatten wir bereits. Im letzten Jahr habe ich dann – wie von der Kollegin erwähnt – einen Jugendlichen erst in Eiserfeld und dann nach dem Umzug in Niederschelden weiter betreut. Wir haben ja das System der Bezugsbetreuer. Die Jugendlichen oder jungen Mütter haben ihren festen Ansprechpartner und durch die räumliche Nähe konnten wir dies gewährleisten. 

Schmidt-Benner: Und dann ist noch eine Mutter mit ihren Kindern aus der Kohlenbach in die Zeil umgezogen, so dass gleich zwei Kolleginnen auch dort weiter betreut haben.


H.S.: Wie muss man sich das im Alltag vorstellen, standortübergreifend zu arbeiten?

Schmidt-Benner:
 In der Praxis läuft das so, dass wir in den Teamsitzungen die momentanen Fälle beraten und schauen, wie intensiv die jeweilige Betreuung gerade notwendig ist und wie die Kapazitäten der Mitarbeiterinnen aussehen. Wir können dann sehr flexibel reagieren.

S. Röcher: Wir beiden »Röchers« sind der Zeil zugeordnet, können aber je nach Bedarf hin und her »switchen«. 

Ax:
 Außerdem bietet das den Vorteil, in Urlaubszeiten oder an Weihnachten, wenn nicht alle Kolleginnen im Dienst sind, uns sehr gut gegenseitig zu unterstützen. Wichtig finde ich aber auch noch folgendes: Wir begleiten ja alle Fälle gemeinsam. Damit profitieren wir von gegenseitiger Beratung, zum Beispiel um zu schauen, an welchen Stellen der Hilfemaßnahme noch mal etwas verändert werden sollte. Oder es steigt eine Kollegin mit in die Betreuung ein, weil sie für eine bestimmte Problemlage besondere Kompetenzen mitbringt. Wer wird wann wo gebraucht? Dies flexibel und fallbezogen zu entscheiden, kommt uns und auch den Klienten zugute.

H. Röcher: Ich finde ebenfalls die gegenseitige Beratung sehr wichtig. Es kann von Vorteil sein, wenn eine Kollegin nicht so dicht am Fall dran ist und manche Dinge aus der Distanz heraus anders beurteilen kann.

Ax: Und das umfasst ja auch den Austausch mit den Kolleginnen aus den Wohngruppen. Wir haben in der Verselbständigung ja keine 24-Stunden-Betreuung am Tag. Daher ist es wichtig, dass die Wohngruppen über die Fälle Bescheid wissen, vor allem bei Krisen. Falls erforderlich, tauschen wir uns täglich aus.

Schmidt-Benner:
 Oder springen im Bedarfsfall auch mal im Wohngruppen-Dienst ein, wenn es einen totalen Engpass gebe sollte. Ich empfinde es so, dass wir mit den vier Teams aus Verselbständigung und Wohngruppe an beiden Standorten eine wirklich gute Zusammenarbeit haben, von der wir alle gemeinsam profitieren.

Kaiser: Allerdings fordert das natürlich von allen eine hohe Flexibilität, aber das ist Teil des Konzepts.

Schmidt-Benner: Und das betrachte ich auch als noch nicht abgeschlossen, sondern sehe es als Prozess. Wir entwickeln uns da noch weiter. Und letztlich hängt es auch davon ab, welche Persönlichkeiten wir gerade hier haben, wie deren Bedürfnisse sind
und welche Notwendigkeiten dann bestehen. Es kann zum Beispiel sein, dass wir einen Jugendlichen in der WG Kohlenbach haben, der in den Verselbständigungsbereich wechseln soll und wir der Meinung sind, hierfür solle er in die Zeil wechseln, weil er für diesen Prozess besser einen anderen Wohnort und Abstand zur Wohngruppe braucht. Wie am Anfang schon geschildert, kann aber auch die Nähe zur Gruppe genau der wichtige Vorteil sein. Man muss da sehr genau hinsehen, um den jungen Menschen die bestmögliche Chance zu bieten, sich zu entwickeln.

Ax: Jeder Fall ist einzeln zu betrachten. Natürlich vergleichen sich die Jugendlichen untereinander auch, und es kommt öfter vor, dass wir hören, »bei dem habt ihr das aber ganz anders entschieden«. Da muss man schon mal hart bleiben, aber auch hier hilft dann der Austausch unter den Kolleginnen ungemein.

H.S.: Wer hier im Team mitarbeitet, muss sich gewiss auf diese große Flexibilität auch einlassen können, oder?

Schmidt-Benner: 
Es ist schon klar, dass jeder, der hier mitarbeitet, dieses Profil tatsächlich haben muss, sehr flexibel arbeiten zu können. Aber wir profitieren ja sehr von der gegenseitigen Erfahrung und können manche Situation so viel schneller lösen.

H. Röcher: Das kann ich sehr unterstreichen. Ich bin ja erst seit Februar dabei und habe es ungemein schätzen gelernt, immer einen Ansprechpartner zu haben, mit dem man sich kurz austauschen kann.

Ax:
 Ich denke, wir sitzen alle hier, weil wir diese Art zu arbeiten mögen – und die muss man auch mögen, denn sonst geht’s nicht.

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