„Mit Grenzen leben“

Erstellt von Sr. Erika Kesper |

Konvent der Schwesternschaft in Freudenberg war reich gefüllt mit geistiger Kost und einem frohen Miteinander.

Freudenberg. „Lob der Grenze“ – ein starkes Wort! Wie hört und fühlt sich das an? „Mit Grenzen leben“ – so lautete das Thema für den diesjährigen Konvent, zu dem sich auch einige Schwestern aus Heiligengrabe und von der Insel Juist einfanden.

Am ersten Abend des Zusammenseins führte uns Sr. Renate Kunert geschickt in das Thema ein. Der hübsche und ansprechende Tischschmuck aus roten, gelben und grünen Papiergartenzäunen, zum Teil offen oder geschlossen angelehnt, dazwischen Tulpen und Osterglocken in kleinen Töpfen, war eine Augenweide. Die „Gartenzäune“ waren mit Thesen versehen wie „Wer seine Grenze kennt, ist schon ein halber Weise“ oder „Grenzenlos sein, ohne Grenzen leben, bedeutet Chaos“. Schnell ließen sich die Schwestern auf das Thema ein und gaben eigene Gedanken in die Runde: Grenzen der Kraft, der Beweglichkeit, der Belastbarkeit, der Geduld, der Freiheit, waren zu hören und man spürte, aus ihren Zurufen sprachen Grenzerfahrungen.

„Lob der Grenze“ hatte Pfr. Wagener seinen Vortrag für den ersten Vormittag überschrieben. Er führte uns mit Gedanken von Konrad Paul Liesmann philosophisch-soziologisch in das Thema ein. Auch hier wurden zunächst Assoziationen zum Wort „Grenze“ aus der Runde der Schwestern einander zugerufen: Grenzen, die trennen, sind ein Ärgernis, sie begrenzen die Freiheit – aber: Grenzen bieten auch Schutz, hier ist eine rote Linie, die nicht überschritten werden darf, eine Demarkationslinie! Festgestellt wurde zudem, dass sich auch Gemeinschaften durch Grenzen definiert haben. Sie grenzen sich ab durch Frömmigkeitsstile, Tracht, Humor, durch Sprach- und Kulturgrenzen.

Anhand der so genannten Sinus-Milieus verdeutlichte Pfr. Wagener, wie unterschiedlich die Lebenswelten und die Grundorientierungen in unserem Land verlaufen. Wir leben zwar in markierten Welten nach Stand und Bildung, sind aber über alle Grenzen hinweg eine Gemeinschaft. Auch wenn Grenzen unseren Freiheitsraum einschränken, sind sie bis zu einem gewissen Grad auch die Bedingung von Freiheit. „Bei Grenzen stehe ich immer vor der Frage, ob ich das Risiko der Überschreitung auf mich nehmen soll“, so Pfr. Wagener. Dies gelte z.B. für die Forschung, die Entdecker-Neugier, aber auch für Orts- und Berufswechsel uvm.

Am darauf folgenden Tag gab es Denkanstöße unter dem Thema „Der Grenzkonflikt“. Es wurde deutlich, dass Gott, der weise Grenzzieher, dadurch erst Leben ermöglicht hat. Seine Schöpfung ist Grenzziehung, sonst gäbe es Tohuwabohu, grenzenloses Chaos. Das Hinnehmen von Grenzen leuchtet uns als Menschen nicht ein. Es gibt einen großen Anreiz, Grenzen zu überschreiten – zum Beispiel aus Neugier. „Was ist, wenn…“, fragen wir uns. Gott traut uns zu, dass wir Grenzen respektieren. Den ersten „Grenzkonflikt“ gab es aber bereits beim Sündenfall. Gott könnte uns ja etwas vorenthalten, war der gedankliche Auslöser. Eine neuerliche Grenzziehung führt als Folge zum Aufenthaltsverbot im Paradies. Wir stellten fest: Ungenutzte Möglichkeiten lassen uns Menschen keine Ruhe. In Adam und Eva spiegelt sich unser aller Wesen. 

Gott will uns Menschen das Bewusstsein für notwendige Grenzen schärfen, wie Pfr. Wagener mit dem Beispiel des „Turmbaus zu Babel“ aufzeigte. „Ohne Gott geht die Rechnung nicht auf“, lautet hier das Ergebnis – mit der Folge von Sprachkonflikten, Religionskonflikten und Kriegen. 

Die Freiheitsgedanken der 10 Gebote

Im nächsten Block ging es um die 10 Gebote. Mit Gedanken des Theologen Ernst Lange, die uns Pfr. Wagener vorstellte, wurden die Freiheitsgedanken, die in den Geboten stecken, wunderbar deutlich:

  •  „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst dir kein Bildnis machen“ – Das bedeutet auch: Du brauchst dir nichts einreden zu lassen, weder eine Weltanschauung noch eine Ideologie, noch ein Selbstverständnis. Denn ich, der allmächtige Gott, will dein Lehrer sein. Halte dich an mein Wort, es ist die Wahrheit.
  •  „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst nicht neidisch sein“. Du brauchst nicht neidisch sein, weder auf den Besitz, noch auf das Können, noch auf die Güter, noch auf den Erfolg anderer. Denn ich, der allmächtige Gott, bin der Geber guter Gaben für dich. Du kannst es dir leisten, den anderen ihr Gutes zu gönnen.

„Du sollst frei sein“ - das ist die heimliche Überschrift, die über allen Geboten steht. Die Sehschärfe des  Beters aus Psalm 119 Vers 18 möchten wir auch für uns erbitten:„Öffne mir die Augen, dass ich sehe die Wunder an deinem Gesetz“.

Ein Thesenpapier bot uns Orientierung, um am Nachmittag in Kleingruppen über die beiden Referate ins Gespräch zu kommen. Können wir einstimmen in das Lob der Grenze? Welche positiven und negativen Seiten der Grenzen haben wir erfahren, haben uns geprägt? Vielleicht merkwürdig, aber die positiven Beispiele überwogen. Fazit: Mit Grenzen leben bleibt eine schwierige Aufgabe. Sie schmecken uns nicht, diese Begrenzungen. Wenn es aber um die entscheidende Grenze geht, in Jesus Christus ist sie überwunden.

Nach der umfangreichen geistigen Kost gab es zum Ausgleich einen entspannten Abend mit schmackhaften lukullischen Speisen und Getränken. Anschließend amüsierten wir uns an Sketchen, lustigen Geschichten und einer Olympia reifen Darbietung von sechs Schwestern: Ein Turmbau ohne anzufassen „Tower and Power“, wie das Foto beweist. Der Film „Der ganz große Traum“ verdeutlichte, wie Macht und Geld in der Lage sind, Grenzen zu zementieren, andere klein zu halten, sie zu bedrohen, zu erpressen, ihnen die Möglichkeiten der Entwicklung und der Bildung zu verweigern. Aber der Film zeigte auch das Gegenteil: kaufmännisches Talent konnte jemand entwickeln, der vorher nur mittelmäßige Leistungen zeigte, weil Ansporn, Freiraum, Lust und Anerkennung über Fairness im Fußballspiel erfahren wurden.

Ein Nachmittagsauflug führte uns zur Autobahnkirche nach Wilnsdorf und anschließend in das dortige Heimatmuseum. Anschaulich wurde unter anderem die Haubergsarbeit dargestellt. Eine mühsame und schwere Wald- und Flurpflege, die gerade hier im Siegerland auch heutzutage noch durchgeführt wird.

Die inhaltsreiche Woche schloss mit dem Abendmahlsgottesdienst. Sr. Erika Mayr hatte kurzfristig einen Schwesternchor gebildet, der uns mit seinen Liedern erfreute. Ein junger Mann hatte es auf die erste Seite des Konventsprogramms gebracht: Der kleine Ministrant von Sieger Köder, der mittels eines Laternenpfahls über drei Mauern springt: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“. 

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