100 Menschen – 100 Bilder

Erstellt von Frauke Schärff |

Anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Tiele-Winckler Haus GmbH in Berlin (2011) startete vor drei Jahren ein Kunstprojekt, das zum Sommerfest 2013 seinen gelungenen Abschluss fand.

Berlin. Eine Situation des gleichberechtigten schöpferischen Miteinanders von Menschen mit und ohne Behinderung zu schaffen – das war die ambitionierte Grundidee des Kunstprojektes, das vor drei Jahren anlässlich des Jubiläums der Tiele-Winckler-Häuser ins Leben gerufen wurde. Und es hat funktioniert: Auf 100 quadratischen Blättern haben mindestens 100 Menschen – TWH-BewohnerInnen, MitarbeiterInnen und Angehörige – mit Buntstiftzeichnungen ihre Spuren hinterlassen!

Ganz praktisch sah das folgendermaßen aus: alle 100 Blätter (50x50 cm) wurden mit einer Handvoll Stifte in die Ateliers der verschiedenen Häuser verteilt. Auf der Rückseite wurden die Bilder nummeriert, eine Strichliste diente der Buchführung und wer wollte, konnte auf der Rückseite signieren. In den Ateliers, aber auch beim Kaffeetrinken im Garten oder in den Wohngruppen wurde mit dem Malen begonnen. Zunächst sehr zögerlich mit wenigen Strichen, denn es sollten ja schließlich noch weitere 99 Menschen auf dem Bild einen Platz zum Zeichnen finden. Doch diese anfängliche Scheu legte sich sehr bald. Begonnene Gestaltungen wurden weitergeführt oder verworfen, übermalt und überlagert. Angelegte Motive wurden herausgearbeitet, manchmal verfremdet oder völlig neu interpretiert.

Die angelegten Blätter gingen nun auf die Reise durch die verschiedenen Berliner Tiele- Winckler-Häuser und wurden weiter bearbeitet: Aus Hellersdorf wanderten die Bilder nach Lichtenrade, die Werke aus Lichtenrade wiederum in die Handjerystr. nach Friedenau, von dort nach Weissensee und wieder weiter. Es wurde oft getauscht. Die meisten der Bilder sind mehr als einmal in einer der Einrichtungen aufgetaucht und die Ankunft der Bilder wurde mit großer Spannung erwartet und warf Fragen auf: „Was ist weiterhin passiert? Wo will ich unbedingt weitermalen? Hat jemand weitergemalt, den ich kenne?“ Oder: „Was ist aus dem geworden, was ich einmal auf dieses Bild gemalt habe, bevor es seine Reise antrat?“ Auf diese Weise entstand ein einmaliger und spannender künstlerischer Dialog zwischen den verschiedenen Einrichtungen der Tiele-Winckler-Haus GmbH in Berlin.

Und was ist letztendlich als sichtbares Resultat herausgekommen? Unerträgliche Schmierereien, wie von manch einem befürchtet? Bis zur Unkenntlichkeit verdichtetete Flächen in matschgraubraun? Zusammenhangsloses Gekritzel, das keinem Betrachter zumutbar ist?

Von wegen! Die 100 Bilder machen mit all ihren unzähligen Details viel Spaß beim Betrachten und bilden eine wunderbare und einmalige Einheit! Folglich wurde der Schritt in die Öffentlichkeit gewagt und beim diesjährigen Atelierrundgang in Friedenau, der „Südwestpassage“, waren wir wieder dabei! Die „Südwestpassage“ hat sich inzwischen zu einer festen Größe im kulturellen Leben Berlins entwickelt und ist auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. 

An den zwei Tagen, an denen wir unser Atelier einem anspruchsvollen und kritischen Publikum öffneten, zählten wir über 300 Besucher, die uns durchweg ein enorm positives Feedback gaben, nicht nur für die präsentierten Werke, sondern gerade auch für die vermittelnde Grundidee, die hinter diesem außergewöhnlichen Kunstprojekt stand.

Begeistert stellte ich fest, dass das Interesse an unserem künstlerischen Tun, aber auch an der Einrichtung und unserer Gründerin ungebrochen ist. Deshalb wird es auch nächstes Jahr heißen: Türen auf!

Wer sich über die verpasste Chance ärgert und die Bilder gerne noch sehen möchte, der hat dazu durchaus noch Gelegenheit: Von Dezember 2013 bis Mitte Januar 2014 werden die Bilder in der Pyramide in Hellersdorf gezeigt. Titel der Ausstellung: „Zwischen Ende und Anfang“. Herzlich eingeladen sind Sie auch zur Vernissage am 01. Dezember 2013 um 15:30 mit Klangimprovisationen und viel Kuchen...

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