Präses Annette Kurschus zu Besuch im Friedenshort: „Ich habe Hochachtung vor dieser Arbeit“

Erstellt von Henning Siebel |

Der Besuch einer Wohngruppe, Gespräche mit Vorstand und Kuratorium sowie die Passionsandacht am Nachmittag gehörten zu den Programmpunkten.

Freudenberg. In neuer Funktion, dabei jedoch keineswegs Neuland betretend – so lassen sich die Voraussetzungen für den Besuch von Präses Annette Kurschus Ende März im Friedenshort beschreiben. Als Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen hatte es für sie tatsächlich den Charakter eines Antrittsbesuches. Als vormalige Superintendentin des Kirchenkreises Siegen und mehrjähriges Mitglied des Kuratoriums der Stiftung Diakonissenhaus Friedenshort, war es dagegen die Rückkehr an einen vertrauten Ort. „Ein Diakonissenmutterhaus ist für mich immer etwas Besonderes, ein Ort mit besonderer Atmosphäre“, betonte die Präses im Pressegespräch. Zugleich mache es auch den besonderen Charme des Friedenshortes aus, dass er Verschiedenes abbilde: Ein Werk für Menschen im Aufbruch, das mit seiner Arbeit für Kinder und Jugendliche an vielen Orten Akzente setze, dabei gleichzeitig ein Werk mit lange zurückliegendem Ursprung, getragen von älter gewordenen Diakonissen. „Mit dem Blick aus Bielefeld kann ich nur betonen, dass ich mich sehr freue, den Friedenshort in der Westfälischen Landeskirche zu haben“, so Annette Kurschus. Denn Kirche und Diakonie gehörten untrennbar zusammen.

Von Mädchenwohngruppe beeindruckt

Ein Beispiel für die sozial-diakonische Arbeit des Friedenshortes konnte Präses Annette Kurschus beim Besuch der Mädchenwohngruppe „Falken“ in Freudenberg erleben. Die in einem geräumigen Haus inmitten eines Wohngebiets untergebrachte Gruppe bietet 9 Plätze für Mädchen von 13 - 18 Jahren, die aus unterschiedlichen Gründen eine gewisse Zeit oder dauerhaft nicht mehr bei ihren Eltern leben können. Die Belegung erfolgt durch die Jugendämter von Stadt und Kreis Siegen. Einige der Mädchen bringen Erfahrungen sexuellen Missbrauchs mit. Die ausschließlich weiblichen pädagogischen Mitarbeiterinnen sind für diese sensiblen Sachverhalte geschult. Die Erfahrungen der Mädchen werden pädagogisch aufgearbeitet. Zu den besonderen Angeboten in der Gruppe gehört regelmäßiges kreatives Gestalten. Durch künstlerisches Tun gelingt es den Mädchen, Stimmungen auszudrücken und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln. 

In so genannten Verselbständigungsbereichen lernen ältere Jugendliche, ein eigenständiges Leben zu führen. Die Mitarbeiterinnen vermitteln alle Dinge, die zu einer eigenständigen Lebens- und Haushaltsführung dazu gehören. Assistenz erfolgt dann punktuell bei Schwierigkeiten, die von den Jugendlichen nicht allein gelöst werden können. „Ich habe Hochachtung vor dieser Arbeit, vor allem, weil viele Menschen mit hohem Einsatz beteiligt sind, um das Leben eines jungen Menschen zu fördern“, resümierte die Präses anschließend.

"Die Passionsgeschichte erlaubt uns nicht, das Geschehen nur als Zuschauer zu betrachten" 

Zuvor hatten der Friedenshort-Vorstand mit Pfr. Leonhard Gronbach und Oberin Sr. Christine Killies in einem gemeinsamen Gespräch mit dem Kuratorium die Präses über aktuelle Projekte und Vorhaben des Friedenshortes informiert. Zudem war Annette Kurschus gern der Einladung gefolgt, die nachmittägliche Passionsandacht in der Friedenshort-Kirche zu halten. Hierbei stand der biblische Bericht über den Verrat des Judas im Zentrum und die Frage Jesu „Mein Freund, dafür bist du gekommen?“. Die Präses erläuterte, dass die griechische Übersetzung es durchaus zulasse, diese Frage auch auf uns selbst zu beziehen: „Die Passions-Geschichte erlaubt es uns nicht, das Geschehen nur als Zuschauer, gewissermaßen aus sicherem Abstand heraus zu betrachten, sondern die Frage abgewandelt zuzulassen: wozu bist du gekommen?“ Sie wies dabei auf eine Mehrdeutigkeit hin: Dem Verrat einerseits und der treuen Weitergabe des Evangeliums anderseits, würde im Griechischen das gleiche Ausgangswort zugrunde liegen: „Gott wird in seinem Wort von Menschen an andere Menschen überliefert. Und es kann dabei zum Verrat werden und es kann zu guter Verkündigung der befreienden Botschaft gelingen.“ 

Im letzteren Fall sei das Handeln als Kirche und als Diakonie dann ein gelingendes Weitertragen dessen, was man selbst empfangen habe, etwas, das Menschen befreie und in die Weite des Lebens führe: „Wir müssen uns daher immer der besonderen Verantwortung unseres Dienstes bewusst sein, auch der Verantwortung, dass trotz allem guten Willen in diesem Dienst etwas misslingen kann.“ Aber – so die Präses weiter – es gelte Gottes Verheißung, auch in Schwachheit und Versagen bei uns zu sein: „Weil diese Verheißung gilt, lassen Sie uns getrost unseren Dienst auch weiterhin tun – hier im Friedenshort, in Bielefeld und überall dort, wo wir als Christen leben und handeln.“

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