Biographiearbeit mit Menschen im Tiele-Winckler-Haus

Erstellt von Eva-Maria Hollerung |

Mitarbeitende helfen Menschen mit geistiger Behinderung, ihr Leben in der Gesamtheit zu erfassen. Acht Biografien sind in einem besonderen Band erschienen.

Berlin. Das Jubiläumsjahr im Tiele-Winckler-Haus <link http: www.friedenshort.de typo3 external-link-new-window external link in new>Opens external link in new window(vgl. Bericht auf unserer Webseite) war zugleich Anlass für einige Mitarbeitende, Biographien der Menschen zu erspüren, die wir betreuen. Die Biographiearbeit ist innerhalb der Arbeit mit geistig behinderten Menschen ein ganz neues Arbeitsfeld. Ursprünglich wurde dieser Ansatz für die Arbeit mit Menschen in Seniorenheimen entwickelt. Es hat sich dort als sehr hilfreich erwiesen, den Menschen im Kontext seiner persönlichen Geschichte zu begreifen. Schnell wurde klar, dass auch in anderen sozialen Arbeitsfeldern diese Arbeit extrem wichtig ist. So wurden auch Konzepte für die Arbeit mit adoptierten Kindern oder Kindern mit einer Heimkarriere entwickelt.

Im Sommer 2010 gab es in Freudenberg eine Fortbildung zur Biographiearbeit unter Leitung der Psychologin Irmela Wiemann, die auch einige Berliner Mitarbeitende aus der Behindertenhilfe des Tiele-Winckler-Hauses in dieses Arbeitsfeld einführten. Für mich selbst stellte ich dabei fest, dass ich viele einzelne Elemente der speziellen Biographiearbeit bereits verwende. So gehört das Fotografieren und Dokumentieren von Lebenssituationen unserer Bewohnerinnen und Bewohner, das gemeinsame Betrachten der alten Fotos schon lange zu den wichtigen Elementen meiner Arbeit. Trotzdem war die Fortbildung – jedenfalls für mich - wie eine „Offenbarung“. Ich erkannte, wie wichtig es für die Menschen mit geistigen Behinderungen ist, ihr Leben in der Gesamtheit erfassen zu können. Wir kennen ja oft nur die „Schnipsel“ der Lebensgeschichten, die in den Akten erfasst sind bzw. die Phasen, die wir selbst miterlebt haben. Aber das Verhalten und die Befindlichkeit unserer Bewohnerinnen und Bewohner ist ja Ergebnis ihrer gesamten Geschichte. Letztendlich bedeutet das für meine Arbeit, dass ich biographisch arbeiten muss, um den bei uns im Tiele-Winckler-Haus lebenden Menschen gerecht werden zu können.

Unterschiedliche Herangehensweisen

So fingen wir einfach an! Die Methoden waren dabei so unterschiedlich wie die Menschen, die beteiligt waren. Diejenigen, die selbst erzählen und reflektieren können, hatten es vergleichsweise leicht. Sie genossen es, Raum zu haben für ihre Erinnerungen. Die Mitarbeitenden nahmen sich die Zeit zuzuhören, bereisten mit ihnen vergangene Lebensorte, fotografierten viel und spürten verschwundene Personen auf. Neue Lebensräume entstanden auf diese Weise.

Ich arbeite im Wohnprojekt Weißensee des Tiele-Winckler-Hauses in einer Wohngruppe mit überwiegend sprachlosen Bewohnerinnen und Bewohnern. Das ist für die biographische Arbeit eine ganz besondere Herausforderung. „Beginnt immer in der Gegenwart!“, hatte uns Frau Wiemann im Seminar mit auf den Weg gegeben. Also versuchte ich mir Zeit zu nehmen. Ich wählte eine Bewohnerin aus und plante, einmal in der Woche eine spezielle Viertelstunde für die biographische Arbeit mir ihr zu verbringen. Leider ließ sich dies nicht regelmäßig durchhalten. Dabei besahen wir ihre Fotoalben, machten auch neue Fotos - erst von ihr, dann von den Mitbewohnerinnen. Schließlich unternahmen wir Ausflüge zu vorherigen Wohnorten. Es war hilfreich, dass ich diese Orte selbst aus früheren Zeiten kannte. Ich erzählte viel und fragte viel und blieb oft auf meinen Fragen sitzen. Aber unmerklich veränderte sich in unserer Beziehung etwas. Ich sah bei Verhaltensauffälligkeiten jetzt mehr von der gesamten Persönlichkeit und sie selbst entwickelte mehr Vertrauen zu mir.

Die Arbeit ist noch lange nicht abgeschlossen, wird sich wohl auch nie abschließen lassen, solange wir leben. Ich hoffe sehr, dass wir in Zukunft mehr und besser in dieser Weise mit unseren Bewohnerinnen und Bewohnern arbeiten können. Es muss auch im Bewusstsein der Ämter und Verantwortlichen ankommen, dass nur ein biographischer Arbeitsansatz es ermöglicht, den bei uns lebenden Menschen wirklich gerecht zu werden.

Band "Menschen im Tiele-Winckler-Haus"

Ein Ergebnis der Biographie-Arbeitsgruppe ist kürzlich erschienene Band „Menschen im Tiele-Winckler-Haus“, der bei der Jubiläumsfeier am 29. September 2011 erstmals vorgestellt wurde. Die in der Biografie-AG entstandenen Texte wurden im Öffentlichkeitsreferat redaktionell bearbeitet und mit Unterstützung der Grafikabteilung einer Druckerei als Buchform gestaltet. Acht Menschen aus dem Tiele-Winckler-Haus GmbH werden vorgestellt – mit ihren Erlebnissen, Wünschen und Hoffnungen, mit ihren Eigenheiten und Befindlichkeiten. Die Bearbeitung erfolgte dabei sehr behutsam, um die – auch sprachliche – Authentizität möglichst zu wahren. Illustrationen der Berliner Künstlerin Kitty Kahane, die dem Tiele-Winckler-Haus schon seit längerem verbunden ist, verleihen dem Buch einen besonderen Rahmen.

Interessierte können dieses Buch im Referat für Öffentlichkeitsarbeit erhalten (Tel. 02734 494102, Fax -115, Mail <link>verwaltung@friedenshort.de).

Links

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