„Art goes Nachbarschaft“ – im Mirbach-Kiez wird der Einkauf zum Galeriebesuch

Erstellt von Henning Siebel - 30.5.2006 |

Berlin-Weißensee. Wer in nächster Zeit aufmerksam durch den Mirbach-Kiez läuft, wird an völlig unvermuteten Orten von Kunst überrascht. Da lugt ein gemalter Engel, umgeben von Lottoscheinen, Tippformularen und Ansichtskarten in einem kleinen Kiosk hervor. Beim Warten in der Tierarztpraxis fällt der Blick auf ein Bild mit dem Titel „Hund in der Stadt“ und beim vietnamesischen Gemüsehändler um die Ecke ziert ein gemalter Apfel den Verkaufsraum. Diese Bilder, die derzeit an rund zehn Orten im Kiez zu finden sind, haben eines gemeinsam: Sie wurden von jungen Menschen mit geistiger Behinderung aus dem „Wohnprojekt Weißensee“ gemalt, einer Einrichtung der gemeinnützig-diakonischen Tiele-Winckler-Haus GmbH, die an acht Standorten in Berlin Wohnheime für geistig und seelisch behinderte Menschen unterhält. „Art goes Nachbarschaft – unsere Kunst im Kiez“, so lautet der Titel dieser Kunstaktion. Die Idee hatte Kunsttherapeut Gerald Auler, der die Bewohner im Rahmen von Kunsttherapie und offener Atelier-Arbeit betreut: „Das Wohnprojekt Weißensee gibt es seit fünf Jahren, in dieser Zeit sind sehr viele Bilder entstanden, die wir gern einer größeren Öffentlichkeit zugänglich machen wollen“. Dabei fungieren die Geschäfte und Praxen im Mirbach-Kiez sozusagen als Mini-Galeristen. Geworben hat sie Gerald Auler durch persönlichen Kontakt. Zusammen mit von ihm betreuten Bewohnern und Mappen mit einer Auswahl von Bildern besuchte er die Geschäftsleute und stellte das Projekt vor.

Den Geschäftsleuten entstehen keine Kosten, sie brauchen lediglich eine beliebig große Wandfläche zur Verfügung zu stellen. Über die durchweg positive Resonanz ist Gerald Auler freudig überrascht: „Die Ladenbesitzer waren da ganz unkompliziert.“ Das Projekt ist zeitlich nicht begrenzt, rund alle 3 Monate werden die Bilder durch neue ersetzt. „Damit sind die Bilder aktuelle Zeugnisse der künstlerischen und somit auch persönlichen Entwicklung unserer Bewohner“, betont Auler. „Art goes Nachbarschaft“ ermögliche, diesen „inneren Ausdruck“ der Menschen mit Behinderung wahrzunehmen und wertzuschätzen – auf eine unspektakuläre, aber dafür dauerhafte Art und Weise. Auler: „Mir geht es um das soziale Wirken der Kunst. Durch die Verschiedenheit der beteiligten Praxen und Läden erreichen wir fast alle Bevölkerungsschichten im Kiez.“ Der Kunsttherapeut hofft, dass noch etliche weitere Mini-Galerie hinzukommen, damit sich „Art goes Nachbarschaft“ als lebendiger und bunter Bestandteil zur Stadtteilkultur etabliert. Art goes Nachbarschaft ist außerdem Projektpartner bei den Teilhabetagen 2006/2007Folgende Geschäfte/Praxen beteiligen sich derzeit an „Art goes Nachbarschaft“: • Tierarztpraxis Mattke, Gäblerstr. 5 • Apotheke Am Mirbachplatz, Gäblerstr. 3 • Ute’s Boutique, Gäblerstr. 3 • Gäblerklause, Gäblerstr. 10 • Mini-Markt, Schönstr. 1 • Lotto-Toto-, Schönstr. 1 • Blumen-Galerie Mini-Flora, Schönstr. 97 • Küchengalerie Linnig, Schönstr. 97 • Friseursalon „Oliver M.“, Behaimstr. 54

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