Das Friedenshort-Gelände auf dem Cappelrain, Domizil von mehreren Wohn- und Tagesgruppen
Das Friedenshort-Gelände auf dem Cappelrain, Domizil von mehreren Wohn- und Tagesgruppen
Lernangebote und Notbetreuung wurden im Tagesgruppenbereich organisiert.  Symbolfoto: © Christian Schwier
Lernangebote und Notbetreuung wurden im Tagesgruppenbereich organisiert. Symbolfoto: © Christian Schwier

„Anvertraute Familien so gut wie möglich durch die derzeitige Krise führen“

Erstellt von Jürgen Grajer, Henning Siebel |

Auch in der Region Süd der Evangelischen Jugendhilfe Friedenshort GmbH sind die Herausforderungen in Coronazeiten groß.

Öhringen. Die Corona-Pandemie stellt auch den Bereich der Jugendhilfe vor große Herausforderungen. Die diakonisch-gemeinnützige Evangelische Jugendhilfe Friedenshort GmbH mit Sitz in Freudenberg (NRW) und ihrer Regionalleitung Süd in Öhringen stellt sich dieser Herausforderung „mit großer Entschlossenheit, aber auch der notwendigen Besonnenheit“, wie Götz-Tilman Hadem als Geschäftsführer erläutert. Der Friedenshort ist mit seinen vielfältigen Angeboten der Hilfen zur Erziehung und rund 400 Mitarbeitenden in der gesamten Region Heilbronn-Franken aktiv. „So lobenswert das auf Bundesebene beschlossene Maßnahmenpaket zur Entschleunigung der Virusausbreitung ist, so zeigen sich auch gerade für Kinder, Jugendliche und deren Familien Nebenwirkungen, die im Blick behalten werden müssen“, erläutert Regionalleiter Jürgen Grajer. Wichtige Stützen im Alltag wie Schulen, Kitas, Familien- und Jugendzentren sind ausgefallen, das öffentliche Leben ist eingeschränkt, Familien unterliegen somit einer starken Belastungsprobe. Jürgen Grajer: „Dazu kommen Ängste vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, das häusliche Zusammenleben ist verdichtet, Lernanforderungen sind in die Familien verlagert. Bei Eltern mit geringem Einkommen ist die Verzweiflung besonders groß.“

Der Friedenshort sieht sich gerade jetzt in der Pflicht, Familien und jungen Menschen beizustehen. Dabei dennoch alle Maßgaben zum Infektionsschutz zu beachten, die Kontaktreduzierungen umzusetzen und zum Beispiel trotzdem den Kinderschutz zu gewährleisten. „Die Aufgabe ist deshalb so groß, weil wir niemanden im Stich lassen wollen, der uns anvertraut ist, und zugleich in einer Fürsorgepflicht gegenüber unseren Mitarbeitenden stehen“, betont Hadem. Wie das unter Corona-Bedingungen gelingt, kann nur in gemeinsamer Anstrengung aller rund 1.350 Mitarbeitenden im Gesamtwerk erfolgen. Ein Krisenstab der regionalen Leitungsverantwortlichen tagt mehrmals wöchentlich in Video-Konferenzen und berät notwendige Entscheidungen. Das Referat für Öffentlichkeitsarbeit hat zudem innerhalb weniger Tage ein „Corona-Intranet“ für die bundesweit tätigen Mitarbeitenden mit mehrfach täglich aktualisierten Informationen eingerichtet.

In der Region Heilbronn-Franken bietet der Friedenshort alle Leistungen der so genannten Hilfen zur Erziehung, von stationären Wohngruppen über Tagesgruppen bis hin zu ambulanten Hilfen. Diese werden durchweg im Auftrag der Jugendämter erbracht. In Öhringen unterhält das Werk außerdem die Erziehungsberatungsstelle und die Suchtberatungsstelle für den Hohenlohekreis sowie die Tiele-Winckler-Schule (SBBZ) vor. „Der Kontakt zu den Jugendämtern hat sich in der gegenwärtigen Corona-Krise nochmal intensiviert, wir müssen uns da sehr eng abstimmen, um die erforderlichen Hilfen zu gewährleisten“, erläutert Grajer. Es gehe darum, Familien zu stabilisieren, Verunsicherungen zu minimieren und Konfliktsituationen zuvorzukommen. Laut kürzlicher Mitteilung der Arbeitsgemeinschaft der Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) gebe es bereits einen deutlichen Anstieg bei den Inobhutnahmen, daher müsse Kinderschutz als Bestandteil der sogenannten „kritischen Infrastruktur“ auch in Pandemie-Zeiten anerkannt werden. „Im Zusammenspiel aller Beteiligten müssen wir auch über Notplätze für Kinder und Jugendliche nachdenken, die in normalen Zeiten womöglich keine so intensive Hilfe nötig hätten“, so Grajer.

In der stationären Jugendhilfe versorgt der Friedenshort in der Region rund 170 Mädchen und Jungen in seinen Wohngruppen. Hier leben bis zu neun Kinder und Jugendliche unter einem Dach, rund um die Uhr sind pädagogische Mitarbeitende für sie da. Daran ändert sich auch während der momentanen Corona-Pandemie nichts, gleichwohl ist der gewohnte Betreuungsalltag ein anderer. „Notwendige Kontaktreduzierungen müssen den jungen Menschen begreiflich gemacht werden. Besuchskontakte sind stark eingeschränkt, sogar Heimfahrten in die Familie gehen derzeit nicht“, erläutert Cordula Bächle-Walter, im Friedenshort für den Hohenlohekreis zuständig und zugleich Stellvertreterin des Regionalleiters. Die Mitarbeitenden lassen sich daher einiges einfallen, um den Tagesablauf kreativ zu gestalten und den berüchtigten „Lagerkoller“ zu vermeiden.

Auch das Tagesgruppenangebot wird aufrechterhalten. Hier finden Kinder und Jugendliche aus schwierigen Familienverhältnissen eine Tagestruktur mit Beschäftigungsangeboten und Förderung. Für ein paar Stunden am Tag dürfen die Kinder außerhalb ihrer Familien fast ein Stück Normalität erleben. Gemeinsam mit den Lehrkräften der Tiele-Winckler-Schule werden Lernangebote und eine ganztägige Notbetreuung organisiert. Im Bereich der Ambulanten Familienhilfen lassen die Mitarbeitenden den Kontakt zu den Familien nicht abreißen. Der Kontakt bleibt so eng wie möglich, wenngleich derzeit auf Basis von Telefonberatung oder Video-Chat. „In absoluten Krisensituationen werden die Familien aber zur Unterstützung und Klärung der Situation auch zu Hause aufgesucht“, betont Grajer.

Der Regionalleiter freut sich über das große Engagement seiner Mitarbeitenden, die anvertrauten Familien so gut wie irgendwie möglich durch die derzeitige Krise zu führen. „Den Mut lassen wir ohnehin nicht sinken, wir dürfen als Christen aus dem Glauben Kraft schöpfen“, bekräftigt Oberin Sr. Christine Killies von der Freudenberger Geschäftsführung.

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