Alles eine Frage der Erziehung - Jugendliche schrieben Theaterstück zum Wachrütteln

Erstellt von Henning Siebel - 16.12.2004 |

Siegen. Krachender Rock dröhnt aus den Boxen, noch ist die Bühne in Dunkelheit getaucht. Dann richtet sich der Scheinwerfer auf eine jugendliche Clique. Stress in der Familie ist das Diskussionsthema. Maries Mutter hängt an der Flasche, Svens Eltern haben sich auseinander gelebt, er hat das Gefühl, gar nicht mehr wahrgenommen zu werden. So beginnt das Theaterstück „Alles eine Frage der Erziehung“, das sich Jugendliche aus dem Projekt „FILoU“ und Siegener Wohngruppen der Ev. Jugendhilfe Friedenshort selbst ausgedacht haben. Die Premiere für Freunde und Familienangehörige war jetzt im Werkstätten- und Probenraum (WuP) des Vereins für soziale Arbeit und Kultur. „FILoU“ steht für Flexible individuelle Lebenswelt orientierte Unterstützung. Hinter dem komplizierten Titel verbirgt sich ein Ansatz, sozialpädagogische Gruppenarbeit mit ambulanten Erziehungshilfen zu verbinden. Neben festen Strukturen wie dem gemeinsamen Mittagessen und Hausaufgaben, erhalten die Jugendlichen von „FILoU“ (beheimatet an der St.-Johann-Str. in Siegen) professionelle Hilfe für ihre individuellen Probleme auf dem Weg ins Erwachsenenalter. Seit rund eineinhalb Jahren gibt es bei „FILoU“ auch ein Theaterprojekt, das Dipl.-Sozialpädagogin Katharina Kläs betreut, die eine Zusatzqualifikation in Theaterpädagogik erworben hat. „Begonnen haben wir mit Grundlagen, wie Sprechübungen, Mimik und Gestik“ berichtet Katharina Kläs. Immer wieder wechseln die Szenen im Stück zwischen Clique und häuslicher Situation: Marie kann ihrer Mutter nichts recht machen, Svens Eltern ahnen, dass er Drogen nimmt. Statt Hilfe, gibt es aber nur Vorwürfe: „Du machst dein Leben kaputt.“ Ann-Kathrin ist die positiv Denkende in der Clique, sie schlägt vor, etwas zu unternehmen. Marie fängt an aufzuräumen, zu putzen, freiwillig ihre Hausaufgaben zu machen – doch auch das ist der Mutter nicht recht: „Hast du was ausgefressen?“, unterstellt sie unlautere Absichten. Sven versucht mit seinen Eltern zu reden, hat aber immer mehr das Gefühl, dass sich seine Eltern kaum noch für ihn interessieren. Als seine Eltern ihm mitteilen, dass sie sich scheiden lassen wollen und er auch noch von einem Dealer massiv unter Druck gesetzt wird, wählt er den Freitod. Es ist also kein Stück mit Happy-End, aber dennoch mit einer wichtigen Botschaft: Kinder und Jugendliche haben die Sehnsucht nach einer intakten Beziehung zu den Eltern, nach Kommunikation und Vertrauen. Es ist ein Stück zum Wachrütteln – das vielleicht bald erneut zu sehen sein wird. Katharina Kläs ist jedenfalls schon auf der Suche nach Auftrittmöglichkeiten.

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