Medienkompetenz im digitalen Zeitalter und Stressmanagement

Erstellt von Pfr. Christian Wagener + Henning Siebel |

Leitende Mitarbeitende des Friedenshortes widmeten sich den Herausforderungen der "Neuen Medien" für die Jugendhilfe.

Freudenberg/Berlin. Mit dem Tempo der Entwicklungen im digitalen Zeitalter Schritt zu halten, ist nicht leicht. Daher beschäftigten sich die leitenden Mitarbeitenden der Stiftung Diakonissenhaus Friedenshort und ihrer Tochtergesellschaften in ihrer jüngsten Tagung vor allem mit medienpädagogischen Themen. Gastgeber war diesmal die Tiele-Winckler-Haus GmbH in Berlin. In seiner Begrüßung und Andacht widmete sich Leitender Theologe Pfr. Leonhard Gronbach aber zunächst einem anderen Thema: der Flüchtlingssituation. Auch für den Friedenshort sei dies mit der Aufnahme zahlreicher minderjähriger Flüchtlinge eine hohe, nie dagewesene Anforderung – die aber eine Standortbestimmung erfordere. „Wie reden wir eigentlich selbst über Flüchtlinge?“, stellte Pfr. Gronbach als Frage in den Raum. Formulierungen wie „Flüchtlingswelle“, „Flüchtlingskatastrophe“ oder „Sie brechen über uns herein“ beträfen Menschen, die in erster Linie in Sicherheit und Frieden leben wollten. „Unser Sprechen prägt unser Bewusstsein und beeinflusst unser Handeln“, betonte Pfr. Gronbach. Der Blickwinkel der Diakonie sei ein anderer. „Was willst du, das ich dir tun soll?“, so lautete Jesu Frage an Hilfesuchende. Fremde aufzunehmen gehöre zu den Werken der Barmherzigkeit. In Jesu Nachfolge bedeute dies unter anderem, Hilfe suchende geflüchtete Menschen anzunehmen, Vertrauen zu stiften und Gemeinschaft und Solidarität zu schenken: „Eine ,Heimat für Heimatlose‘ – dafür arbeiten wir.“

„Chancen und Risiken der Smartphone-Welt“ hatte Volker vom Hagen seinen Vortrag überschrieben. Der Kommissar ist bei der Kreispolizeibehörde Siegen für Prävention/Opferschutz zuständig. Aus seiner beruflichen Erfahrung heraus skizzierte er die Hauptproblemfelder, die sich vor allem durch die multifunktionalen Nutzungsmöglichkeiten von Smartphones verbunden mit Veröffentlichungen in sozialen Netzwerken ergeben. Mobbing durch das unerlaubte Veröffentlichen von (peinlichen) Fotos gehörten mittlerweile zu seinen Haupteinsatzfällen. Ebenso ging er auf das Suchtpotenzial von Computerspielen ein und warb für klare Vereinbarungen mit den Kindern und Jugendlichen, was eine zeitliche Begrenzung anbelangt. Außerdem müsse sehr auf die Altersbeschränkungen geachtet werden.

"Aufmerksam und angemessen reagieren"

Letzteres gelte auch für anderes nicht altersgemäßes (z.B. pornografisches) Material. Weiterer Punkt waren Urheberrechtsverletzungen durch das unerlaubte Verbreiten von bspw. Musiktiteln via File-Sharing-Apps. „Wir können die heutigen Möglichkeiten nicht verdammen, aber wir müssen sehr aufmerksam sein und angemessen reagieren“, so lautete sein Fazit mit Blick auf das Plenum der überwiegend in der Jugendhilfe tätigen Mitarbeitenden. Hierzu gehörten klare Regeln mit der Möglichkeit, Einblicke in die tatsächliche Mediennutzung der Kinder und Jugendlichen zu nehmen und die eigene Medienkompetenz aktuell zu halten. Außerdem müssten die Erwachsenen ihre Vorbildfunktion in Sachen Umgang mit dem Smartphone wahrnehmen.

Um medienpädagogische Kompetenz speziell in der Jugendhilfe ging es im Vortrag von Henrik Blaich, Projektleiter „Medienscouts“ des ajs (Aktion Jugendschutz Baden-Württemberg).  Er warb dafür, Medienerziehung als Teil des gesetzlichen Auftrags für die Jugendhilfe zu betrachten, nämlich „Junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung zu fördern.“ Dies gehe über eine „Gefahrenabwehr“ weit hinaus. „Lebenswelten sind Medienwelten“, zitierte Blaich den verstorbenen Erziehungswissenschaftler Dieter Braacke. Den kompetenten Umgang mit den heutigen digitalen Medien zu vermitteln, gehöre zu den wichtigen erzieherischen Aufgaben, so Blaich. Denn es gebe ja auch ausreichend positive Nutzungen durch die Jugendlichen, wie den Austausch mit Gleichaltrigen in sozialen Netzwerken, Kreativität zu Entwickeln in den Bereichen Video und Musik und vieles mehr. „Medienscouts können dabei helfen, sie sind aber keine Hilfspädagogen und damit auch kein Ersatz für die eigene Auseinandersetzung mit diesem Thema in Ihren Einrichtungen“, betonte Blaich.

„Mensch ärgere dich…weniger“

Begonnen hatte die Tagung mit einem ganz anderen Thema. Über „Ärger- und Stressmanagement als zentrale Herausforderungen für die erfolgreiche Organisation sozialer Einrichtungen“, referierte Prof. Dr. Andreas Bergknapp (Hochschule Nordhausen). „Stress ist das subjektiv erlebte Maß an Überforderung“, lautete dabei seine Kurzdefinition. Nach Prof. Bergknapp liege der Fokus dabei auf dem Begriff subjektiv: „Es hängt von den Bewertungen, den Konstruktionen des Individuums ab, ob und welche Gefühle von Stress oder Ärger entstehen.“ Dies seien nicht einfach diffuse psychische Phänomene, die den einzelnen „heimsuchten“, sondern erklärbare Vorgänge, wie Prof. Bergknapp an seinem Ärger- und Stressmodell erläuterte, welches auf der kognitiven Emotionstheorie beruht: Ein Auslöser (z.B.  Termindruck, zu hohes Arbeitspensum) erzeuge bestimmte Gedanken, zum Beispiel Bewertungen oder Erklärungsversuche. Diese Gedanken seien aber sehr maßgeblich dafür, ob sich zum Beispiel Ärger- oder Stressgefühle entwickeln. „Wir fühlen, wie wir denken“, lautete die Kurzformel des Referenten. Das Körperempfinden wiederum basiere sehr auf den Gefühlen, beispielsweise Anspannung bei Ärger.
Bergknapps Lösungsansatz liegt in der rationalen Verhaltenstherapie. Weil subjektiv vorgenommene Bewertungen diese bestimmten emotionalen Zustände auslösen, ist der Hebel bei einer Veränderung dieser Bewertungen anzusetzen, was der Wissenschaftler als „kognitive Bewältigung“ bezeichnet. In Kurzform bedeutet das: Irrationale Annahmen wie „sei perfekt“, „mach es allen recht“ uvm. durch rationalere Alternativen zu ersetzen, perfektionistische Leistungsansprüche entlarven und Kritik zwar ernst, aber nicht persönlich zu nehmen. Als „gelassene Zustimmung zum Leben“ bezeichnete Bergknapp die Zielsetzung. Dies bedeute: Ereignisse, die wir nicht ändern können, als negativ oder unbequem zu akzeptieren und nicht permanent dagegen anzukämpfen.

Würdigung und Abschied

Verabschiedet aus dem Kreis der leitenden Mitarbeitenden wurde das Ehepaar Regina und Peter Meisel. Ihren besonderen Einsatz in der jahrzehntelangen Leitung des christlichen Gästehauses Friedenshort in Mehltheuer würdigte der Vorstand durch die Verleihung des Goldenen Friedenshortsterns. Als Nachfolger (siehe Bericht in Heft 1/2016) stellte sich das Ehepaar Carmen und Falk Liebert vor. Außerdem bot die Tagung den Rahmen, um langjährige Mitarbeitende der Tiele-Winckler-Haus GmbH auszuzeichnen. Insgesamt 14 Mitarbeitende erhielten den silbernen Friedenshortstern für 25-jährige Dienstzugehörigkeit.

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