Kunst kennt keine Berührungsängste: 10 Jahre "Art goes Nachbarschaft“

Erstellt von Gerald Auler + Henning Siebel |

Wohnprojekt Weißensee der Tiele-Winckler-Haus GmbH bringt Kunst seiner Bewohnerinnen und Bewohner in den Mirbach-Kiez

Berlin-Weißensee. Dass aus einer Idee ein nun bereits seit zehn Jahren bestehendes und bestens etabliertes Projekt wird, hätte sich Kunsttherpeut Gerald Auler seinerzeit gewiss noch nicht gedacht. „Art goes Nachbarschaft“ hat Kunst von Bewohnerinnen und Bewohnern des Wohnprojekts Weißensee der Tiele-Winckler-Haus GmbH in den Kiez gebracht. Dabei fungieren die Geschäfte und Praxen sozusagen als Mini-Galeristen dieses integrativen Stadtteil-Kunstprojektes. Geworben hat sie Gerald Auler durch persönlichen Kontakt. Zusammen mit von ihm betreuten Bewohnern und Mappen mit einer Auswahl von Bildern besuchte er die Geschäftsleute und stellte das Projekt vor. Und dieses „Klinkenputzen“ war erfolgreich. Über 200 Gemälde, Zeichnungen und Drucke aus dem Wohnprojekt wurden seitdem in den Läden, Praxen und Cafés des Mirbach-Kiezes ausgestellt. Unzählige Kontakte und mit der Zeit immer herzlichere Begegnungen zwischen den Künstlerinnen und Künstlern sowie den Geschäftsbetreibern fanden und finden weiterhin statt. Wichtiger Aspekt ist, den jungen Menschen aus dem Wohnprojekt immer wieder von Neuem ein Gefühl des Willkommenseins, der Sicherheit und des Vertrauens in ihren Kiez, in ihr eigenes direktes Lebensumfeld, zu ermöglichen und eventuelle Berührungsängste abzubauen.

Auf Wandel reagieren

In den 10 Jahren wurde das Projekt sowohl durch die "Deutsche Heilpädagogische Gesellschaft" als auch durch den "1. Mutter-Eva-Innovationspreis" des Friedenshortes ausgezeichnet. Der 20-minütige Dokumentarfilm über den Beginn von "Art goes Nachbarschaft" wird noch immer als Lehrfilm an Berliner Hochschulen und Universitäten genutzt. Dies sind schöne „äußere“ Erfolge, die aber die Bewohnerinnen und Bewohner symphatischerweise gar nicht beeindrucken - und die auch nichts daran ändern, dass sich das integrative Kunstprojekt ständig neuen Herausforderungen stellen muss:  Wie in ganz Berlin wandelt sich auch das Stadtbild in Weißensee rasant und enorm, alle Baulücken werden geschlossen, Parkplätze bebaut, Häuser teils luxussaniert. Vier der anfänglichen zehn beteiligten Aussteller mussten  ihr Geschäft in den letzten Jahren aufgeben, weil sie sich z.B. die Miete nach Wechsel des Eigentümers nicht mehr leisten konnten, ihr Geschäft unrentabel wurde oder weil sie in den Ruhestand gingen. "Art goes Nachbarschaft" musste sich auf diese Veränderungen einstellen und hat entsprechend neue Aussteller  beworben.  So gewannen wir die erst vor drei Jahren in unmittelbarer Nähe zum Wohnprojekt eröffnete "WeinKiste"  hinzu. Bemerkenswert dabei ist nicht nur die riesige Schaufensterfront des Ladens, sondern der äußerst herzliche und  humorvolle Umgang, den Ladenbesitzer, Verkäufer und unsere „WGler“ miteinander pflegen. Die dort ausgestellten und ständig wechselnden, oft lebensfrohen Kunstwerke aus unserem Projekt, begannen mit der Zeit die beiden kunstinteressierten Geschäftsführer des Bestattungsunternehmens auf der anderen Straßenseite zu faszinieren. Seit kurzem hängen nun auch dort zwei gerahmte Aquarelle von unserem Herrn Schlömp. Wenn die neue Eisdiele (ebenfalls in der Nähe des Weinladens) im Sommer zusagt, sind wir wieder bei fast so viel teilnehmenden Geschäften wie anfangs - und auch in einem veränderten Kiez ordentlich präsent durch unsere Kunst.

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