Führen und Leiten ohne Machtmissbrauch, Veränderung gestalten, Agiles Arbeiten

Erstellt von Henning Siebel |

Wichtige Themen standen auf der Agenda der diesjährigen Tagung für Leitende Mitarbeitende.

Rheinsberg. Verschiedene Aspekte rund um Leiten und Führen, um Macht und Gefahr des Machtmissbrauchs sowie das Gestalten von Veränderungsprozessen standen im Zentrum der diesjährigen Tagung für Leitende Mitarbeitende des Friedenshortes. Gastgeber war Ende Oktober die Region Ost (Stiftung und Jugendhilfe gemeinsam), die Tagung fand im brandenburgischen Rheinsberg statt. In seiner Begrüßung dankte Götz-Tilman Hadem (Vorstand u. kaufm. Leitung) Carola Altmann und Matthias Fickler als Regionalleitungen für die gute Vorbereitung und verwies darauf, dass es mit über 70 eingeladenen Teilnehmenden die größte Jahrestagung bisher im Friedenshort sei: „Wir haben sehr spannende Themen, außerdem wünsche ich mir, dass wir die Gelegenheit nutzen, in herausfordernden Zeiten noch näher zusammenzuwachsen.“ Für ihre Andacht zum Auftakt hatte Leitende Theologin Pfrn. Ute Riegas-Chaikowski „Beutelgeschichten“ mitgebracht. Sie hob hervor, dass es auch im Friedenhort viele gute und erzählenswerte Geschichten gebe: „Geschichten, die Mut und Vertrauen schenken, Geschichten von einem besseren Ort, gestärkt von einer Gemeinschaft, die Hoffnung vermittelt und in der Gott die Mitte bildet.“

Um Führung, Verantwortung und Macht(missbrauch) ging es im Eröffnungsvortrag von Dr. Lena Marbacher, Autorin und freie Journalistin, mit Schwerpunktthemen Arbeit, Wirtschaft und Gesellschaft. Dabei definierte die Referentin zunächst, welche Aspekte für Machtmissbrauch bedeutsam sind und dass auch Formen von Kritik dazu zählen: „Wenn Kritik herabwürdigt und fortwährend nicht mit Fakten belegt werden kann, dann ist das Machtmissbrauch!“ Daher sei es wichtig, Leistung anhand von klaren, transparenten Zielen zu beurteilen. Ein weiterer Schwerpunkt Marbachers galt der Unternehmenskultur mit Blick auf festgestellten (sexuellen) Missbrauch. Wichtig sei dabei, mit klaren Regeln im Sinne der Betroffenen zu handeln inklusive rascher Konsequenzen: „Wer nicht direkt sanktioniert, duldet und bestärkt damit das Fehlverhalten!“ Die Referentin zeigte etliche Möglichkeiten auf, die aus ihrer Sicht zu einer guten Kultur des Miteinanders gehören und (Macht)Missbrauch entgegenwirken. Dazu gehören unter anderem: 

  • Formale Regeln und informale („Trampelpfade“), damit sich Menschen auch leicht anvertrauen können
  • Anreize schaffen, an guten Strukturen mitzuwirken
  • Evaluation
  • Workshops (deren Einfluss aber nicht überbewertet werden dürfe)
  • Moderation (ein Ohr haben für die Belange der Mitarbeitenden)
  • Sozialer Druck (Hilfe belohnen und auch für beschuldigte Mitarbeitende da sein)

„Gewissheiten schwinden, Optionen steigen“

Pastor Dr. Hendrik Höver (interdisziplinärer Experte für Diakoniewissenschaft) referierte am Folgetag über das Gestalten von Veränderungsprozessen in diakonischen Unternehmen. Der Referent führte aus, dass die Komplexität von Führung in der Multioptionsgesellschaft wachse und Tradition daher nur noch eine Option unter mehreren sei: „Wenn Gewissheiten schwinden und Optionen steigen, führt das zu einer Zunahme von Entscheidungsnotwendigkeiten.“ Um strategische Schlüsselentscheidungen zu treffen, gebe es vier kulturell eingespielte Entscheidungsmuster, die Dr. Höver nicht nur vorstellte, sondern im Plenum in Kleingruppen auf Sachverhalte anwenden ließ: patriarchalisch („Chefsache“), expertenbasiert, evolutionär (gewachsen), gemeinschaftliche Managementleistung. Im Anschluss stellte der Referent das so genannte „St.-Galler-Modell“ vor, welches Organisationen als Entscheidungssysteme betrachtet, insbesondere unter den Bedingungen von Wandel und Mehrdeutigkeit. Hierbei gelte es, zwischen Fachführung und Systemführung zu unterscheiden. Dr. Höver verdeutlichte dies anhand dreier grundlegender Managementprozesse. So stellen sich im normativ-ethischen Managementprozess die Fragen nach der „Sinnmitte“ der Organisation (Warum gibt es uns? Welche Werte bilden die Grundlage für handlungsleitende Normen, unabhängig davon, ob sich etwas rechnet?). Die strategische Zukunftssicherung beschreibt laut Dr. Höver alle Dinge, um langfristig erfolgreich zu sein. Der operative Prozess umfasst unter anderem Qualitätsmanagement und alle Maßnahmen, die im Alltag der Organisation Wirksamkeit entfalten sollen. 

Unsichtbare Muster hemmen Agilität

„Agil führen und Verantwortung gestalten“ war das Thema des Vortrags von Svenja Hofert, Karriereberaterin und Autorin zahlreicher Wirtschaftsbücher. Dabei stellte sie mehrere Aspekte vor, die aus ihrer Sicht maßgeblich sind. Oft verhindere eine so genannte „Pfadabhängigkeit“ das Etablieren von Agilität. Damit meinte die Referentin unsichtbare Muster, die sich aus einer fehlenden Auseinandersetzung mit der Vergangenheit speisen: „Menschen haben das Bedürfnis nach Ritualen und Gewohnheiten, es gibt emotionale Routinen, Älteres wird oft dem Jüngeren vorgezogen und Neuerungen sind manchmal eher vermeintlich, weil Erinnerungsspuren an das Vergangene präsent bleiben.“ In Führungsrollen beobachte Hofert oftmals eher Überlastung statt Veränderung zu gestalten. Dies könne an nicht klar verteilten Rollen liegen. Daher warb die Referentin für das Einführen von „Mikrorollen“, um unterschiedliche Perspektiven zu bekommen. Diese „Spannungsmelder“ könnten helfen herauszufinden, ob gerade zu viel oder zu wenig Führung passiere, was sehr wichtig sei: „Zu viel Autonomie bei Selbstorganisation führt leider zu gegenteiligen Effekten.“ Das diskussionsfreudige Plenum nutzte bei allen drei Vorträgen die Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen und auch unterschiedliche Meinungen auszutauschen, was seitens der Vortragenden durchaus begrüßt wurde.

Ein exklusives Preview des Dokumentarfilms „Das fast normale Leben“ mit Filmgespräch (Regisseur Stefan Sick und Miriam Pflüger für den Filmverleih Mindjazz waren anwesend) und ein Ausflug nach Heiligengrabe mit Besichtigung des Kloster Stifts und verschiedenen Friedenshort-Einrichtungen rundeten die Tagung ab.

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