Worauf warten Sie, liebe Leserinnen und Leser? Auf eine zündende Idee oder den perfekten Zeitpunkt? Auf das Schweigen der Waffen in Gaza und in der Ukraine? Auf die große Liebe, den Gewinn in der Lotterie oder mit Samuel Beckett auf Godot? Auf Licht am Ende des Tunnels? Auf den Mut, einen anderen Menschen um etwas zu bitten? Auf die Hand, die Ihnen zur Versöhnung gereicht wird? Warten Sie immer noch auf eine Antwort – oder darauf, dass Ihnen ein ganz bestimmter Mensch die eine entscheidende Frage stellt? Oder wünschen Sie einfach, dass das Warten endlich ein Ende habe – auf den ICE oder den Arzt? Es gibt ein Warten, das wir nicht ändern können, weil es nicht an uns liegt, dass es ein Ende nimmt. Dieses Warten zermürbt, macht ungeduldig und gereizt. Der Advent ist eine Zeit des Wartens. Wir warten auf die Ankunft des einen, der bringt, was wir vermissen: den Frieden zum Beispiel – in der Welt und im eigenen Herzen. Wir warten nicht unbestimmt. Es gibt einen festen Termin. Wir haben ihn längst im Kopf und finden ihn in jedem Kalender eingetragen. Es ist die Nacht vom 24. auf den 25. Dezember. Das Wissen um Tag und Stunde macht unser Warten zur Erwartung. Die Ungeduld nimmt ab und die Vorfreude wächst. Niemals sonst im Jahr verstehen wir es besser, uns die Zeit zu verkürzen und zu versüßen: mit Backorgien, Einkaufstouren, Glühweinbechern oder festlichen Musikabenden. Die Stunden und Tage sind so ausgefüllt, dass die Zeit jedes Jahr aufs Neue viel zu knapp bemessen erscheint, um fristgerecht mit allem fertig zu sein. Aber das werden wir, so lehrt es die Erfahrung, weil der Termin glücklicherweise nicht mit uns steht oder fällt. Gott stellt sich treulich ein, gleichgültig wie weit wir uns mit unseren Vorbereitungen wähnen. Das mag uns zur Erinnerung und zur Entspannung gesagt sein: Wir machen Weihnachten nicht. Es kommt von Gott – und will uns zum Fest werden. Der Advent ist eine Zeit des Wartens, eines zuversichtlichen, gelösten, hoffnungsvollen Wartens. Aber nicht nur für uns Menschenkinder. Auch Gott wartet – auf Sie, auf mich, auf alle, die er liebt und die er selig machen will. Mit Jesu Geburt haben die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes Einzug in diese Welt und in unser Leben gehalten. Gott lädt uns ein, dieses Wunder mit eigenen Augen zu sehen und mit ihm zu feiern. An der Krippe dürfen wir uns willkommen wissen. Wir müssen nichts mitbringen, außer unsere unfrisierten Gedanken und angeschlagenen Hoffnungen, unsere Ängste und Enttäuschungen. Aber Unschätzbares dürfen wir mitnehmen: ein Lächeln und Wärme. »Fürchte dich nicht!«, hören wir die Engel sagen und wir schöpfen neuen Mut: Es wird doch noch gut! Das Warten im Advent erschöpft sich nicht im passiven Abwarten und Teetrinken. Es ist ein Warten, das in Bewegung bringt, auf Begegnung drängt. Wir machen uns auf, nicht nur zum Stall nach Bethlehem. Der Weg führt auch zum Nächsten, selbst zum fernen Nächsten. Wir greifen zum Telefon, schreiben – ganz altmodisch – Briefe, schicken Päckchen, öffnen Türen – und nicht nur die an unserem Adventskalender. »Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands, machte er uns selig.« Titus 3,4-5a Worauf warten? 4 VORWORT
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