Anna Seemann-Majorek mit ihrem Buch vor Mutter Evas Häuschen, im Hintergrund eine historische Aufnahme
Anna Seemann-Majorek mit ihrem Buch vor Mutter Evas Häuschen, im Hintergrund eine historische Aufnahme
ausgepacktes Mutter-Eva-Buch
Die Dissertation ist im Frühjahr dieses Jahres in einer Auflage von zunächst 300 Exemplaren erschienen
Selfie von Anna Seemann-Majorekt mit Künstlerin Ewelina Kuna, die zurzeit das Mutter-Eva-Museum leitet
Selfie von Anna Seemann-Majorekt mit Künstlerin Ewelina Kuna, die zurzeit das Mutter-Eva-Museum leitet

Schon als Kindergartenkind in „Mutter Evas Häuschen“ verliebt

Erstellt von Henning Siebel |

Dr. Anna Seemann-Majoreks Dissertation zu Mutter Eva und oberschlesischer Diakoniegeschichte ist im Frühjahr 2023 als Buch erschienen.

Dr. Anna Seemann-Majorek hat sich wissenschaftlich mit Mutter Eva beschäftigt. Ihre Dissertation ist in diesem Jahr in Polen als Buch erschienen. Die 38-jährige verheiratete Mutter von zwei kleinen Kindern [Szymon (2 Jahre) u. Ida (8 Monate)] stammt aus Bytom, lebt aber heute mit ihrer Familie in Swietochlowice. Im Gespräch mit Henning Siebel (Leitung Unternehmenskommunikation) hat sie gerne Fragen zum Buch beantwortet und wie ihre besondere Verbindung zum Friedenshort sowie ihr Interesse an Mutter Eva überhaupt entstanden sind.

Welches sind die Hauptthemen der Doktorarbeit bzw. des Buches?

Mein Hauptziel war es, eine möglichst detaillierte Biografie von Eva von Tiele-Winckler zu erstellen, die unter anderem den historischen, kulturellen oder religiösen Kontext der Zeit, in der sie lebte und arbeitete, aufzeigt. Außerdem war es mir ein Anliegen, Evas Lebensweg chronologisch zu rekonstruieren und ihre umfangreichen Kontakte und Beziehungen zu erforschen. Eine Studie, die das Leben und Wirken von Mutter Eva in Miechowice so detailliert beschreibt, hat in der polnischen Literatur gefehlt. Natürlich gibt es noch viele weiße Flecken und Unbekannte, aber im Laufe meiner Recherchen ist es mir gelungen, viele wirklich interessante und überraschende Fäden aufzudecken. Die Publikation besteht aus drei Kapiteln und einem Anhang. Das erste Kapitel ist der einleitende Teil und widmet sich der Geschichte der Evangelischen Kirche und der Inneren Mission (einschließlich der Entwicklung des diakonischen Dienstes) in Oberschlesien im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert. Das zweite Kapitel stellt die Geschichte der Familie Tiele-Winckler und den Lebensweg von Eva von Tiele-Winckler dar. Das letzte Kapitel beschreibt Evas Lebenswerk, den Friedenshort.

Wie ist die Idee dazu entstanden?

Als Pfarrer Jan Kurko mir 2012 den Zugang zum Material in Mutter Evas Häuschen ermöglichte, wusste ich praktisch nichts über die Gründerin von Friedenshort. Ich begann in den verfügbaren Materialien zu lesen, aber mit der Zeit erwies sich das als unzureichend. Es gab ständig Fragen und manches blieb rätselhaft. In den Beständen des Häuschens entdeckte ich jedoch so viele interessante Dokumente, Fotos und Postkarten, und irgendwann wurde mir klar, dass ich das neu gewonnene Wissen, die zusammengetragenen Fakten, die gelösten Rätsel, aufschreiben sollte. Damals überzeugte mich ein junger Vikar aus unserer Diözese, dass es sich lohnen würde, dieses Material unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten und in einer Dissertation zusammenzufassen. Um die Wahrheit zu sagen, habe ich nicht geglaubt, dass es möglich ist, dass ich es schaffen könnte.... aber die Zeit hat gezeigt, dass auch heute im Friedenshort immer noch alles möglich ist („Nichts unmöglich…“).  Der Betreuer (Doktorvater) hat mich von Anfang an ermutigt, in der Dissertation eine einfache Erzählweise zu wählen, damit die Arbeit, falls sie jemals veröffentlicht wird, von jedem gelesen werden kann. Das ist mir gelungen denke ich. Das Buch wurde vom Evangelischen Kulturverein (pl: Ewangelickie Stowarzyszenie Kultury) herausgegeben, den es seit 10 Jahren gibt. Ich bin Mitbegründerin und Vizepräsidentin der ersten Stunde dieser gemeinnützigen Organisation. Wir erhielten als Kulturverein erfolgreich einen staatlichen Zuschuss für die Publikation. Die Doktorarbeit wird also nicht in den Universitätsarchiven verstauben, sondern kann die Menschen erreichen.

Wie ist die persönliche Verbindung entstanden zum ursprünglichen Friedenshort und der dortigen evangelischen Kirchengemeinde Parafia Ewangelicko-Augsburska?

Ich hatte schon seit langem mit der Gemeinde in Miechowice zu tun, aber nicht als Gemeindemitglied. Der frühere Pfarrer Alfred Staniek hatte eine generations- und gemeindeübergreifende Musikgruppe gegründet, zu der er meinen Vater und mich einlud. Unsere Proben fanden damals im Haus Zionsstille statt. Nur wenige wissen, dass dieses Gebäude auch eine Zeit lang ein Tonstudio war, in dem unsere Band ihr erstes und insgesamt einziges Album aufgenommen hat. Das gesangliche Abenteuer, denn das war mein Part in der Band, hat mir nicht nur besondere Freunde beschert, sondern mich somit auch länger mit dem Friedenshort verbunden. Ich darf verraten, dass ich zum ersten Mal als Kindergartenkind auf einer Gemeindefahrt nach Miechowice kam und mich schon damals in Mutter Evas Häuschen verliebt habe, das mich an ein bezauberndes Lebkuchenhäuschen erinnerte. Damals träumte ich davon, dass ich eines Tages an diesen Ort zurückkehren könnte. Und so ist es gekommen.

Sie sind ja auch an der Neuausrichtung von Mutter Evas Häuschen als Museum beteiligt. Welche Ideen gab es dafür?

Die Idee, Mutter Evas Häuschen in ein Museum umzuwandeln, stammt von Pfarrer Jan Kurko. Ich war hier eher die „Macherin“ und er hat mir viel Vertrauen und Freiheit gegeben. Die Anfänge waren schwierig, denn wir mussten ständig Gruppen empfangen und gleichzeitig Wissen über die Gründerin sammeln und das Haus in Ordnung bringen. Zu dieser Zeit haben wir eine Bestandsaufnahme vorbereitet, um alle Sachen zusammenzupacken, da eine größere Renovierung des Gebäudes anstand. Alles musste sortiert werden. Bei den Aufräumarbeiten habe ich übrigens einige erstaunliche Entdeckungen gemacht. Manchmal fühlte ich mich wie Indiana Jones. Es war eine schöne Zeit, auch wenn das Häuschen für längere Zeit geschlossen war. Ich habe stattdessen Besuche gemacht. Ich nahm Fotos mit, oder ein Kamishibai-(Papier)Theater mit einem Märchen über Mutter Eva und in Schulen, Kindergärten, Museen und Gemeindezentren erzählte ich dann die Geschichte der Miechowice-Prinzessin. Ich richtete einen Internet-Blog ein, etwas später eine Facebook-Fanpage, und von Zeit zu Zeit veröffentlichte ich kurze Texte und stellte Fotos ein. Ich habe mich darauf konzentriert, die Geschichte zu vermitteln. Erst nach dem Ende der Renovierungsarbeiten, der offiziellen Eröffnung des Pfarrkomplexes und der Eröffnung des renovierten Tiele-Winckler-Schlosses, konnte ich eigentlich so richtig meine Flügel ausbreiten. Nur war zu dieser Zeit mein Kopf an einem anderen Ort - ich habe meine Promotion abgeschlossen und kurze Zeit später wurde ich Mutter und ging in Mutterschaftsurlaub. In meiner Abwesenheit wurde das Museum von einem Mitglied der Miechowice-Gemeinde und meiner guten Freundin Ewelina Kuna betreut. Ewelina ist eine Künstlerin. Sie bringt also ein ganz anderes Element an diesen Ort. Ein wunderschönes Element. Ich kann sehen, dass das Häuschen mit ihr neu aufblüht.

Wie ist nun die aktuelle und zukünftige berufliche Perspektive?

Ich befinde mich derzeit im Mutterschaftsurlaub. Ich werde wahrscheinlich noch ein Jahr lang nicht arbeiten. Ob ich meine Stelle behalten kann, weiß ich nicht, denn diese wurde bislang durch Zuschüsse finanziert, die nun ausgelaufen sind. Wenn sich nichts ändert, werde ich mir wohl etwas Anderes suchen müssen, das wäre eine schmerzhafte Lösung für mich, denn ich habe meine Arbeit geliebt. Gerne würde ich meine Forschungen fortsetzen. In den Häuschen-Ressourcen gibt es noch viel Material. Außerdem träume ich davon, einen Katalog zu erstellen, eine virtuelle Materialdatenbank für alle verstreuten Dokumente, einschließlich dessen, was sich in Freudenberg befindet. Das wäre eine Aufgabe für Jahre, auf Vollzeitbasis, für mindestens zwei Personen. Vielleicht hat Gott für mich aber auch ganz andere Pläne.

Zum Schluss: Welche anderen Interessen gibt es?

Ich liebe Bücher, das Wandern, die Geschichte und Kultur Oberschlesiens; Ganz Polen ist interessant, jede Region beeindruckt durch ihre kulturelle und geografische Einzigartigkeit, aber Oberschlesien wird mir immer am Herzen liegen - es ist meine kleine Heimat.

Links

Mutter-Eva-Museum (in polnischer Sprache)

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