Aus Gewaltvorfällen lernen – Tagung Leitender Mitarbeiter des Friedenshortes

Erstellt von Henning Siebel - 6.4.2004 |

Freudenberg. „Nicht Gewaltvorfälle an sich sind schlimm, sondern die Gewaltvorfälle, aus denen nichts gelernt wird, die pädagogisch ungenutzt bleiben.“ Dies war eine der zentralen Thesen von Matthias Schwabe, Dozent an der Ev. Fachhochschule Berlin, bei der Frühjahrstagung Leitender Mitarbeiter der Stiftung Diakonissenhaus Friedenshort sowie ihrer Tochtergesellschaften Evangelische Jugendhilfe Friedenshort GmbH und Tiele-Winckler-Haus GmbH. Mit Gewaltprävention, einem derzeit wieder an Bedeutung gewinnenden Thema beschäftigten sich die Mitarbeitenden an zwei Tagen sehr intensiv. Gewaltvorfälle werden laut Schwabe auch in den besten Einrichtungen nie ein für alle mal aufhören: „Sie müssen damit rechnen“, so seine klare Aussage. Schwabe forderte, dass Gewaltvorfälle nicht automatisch zum Abbruch der Hilfen führen dürften. Kinder und Jugendliche hätten ein Recht, in den Jugendhilfe-Einrichtungen alternative Formen der Konfliktlösung zu erlernen. Oft müsse aber zunächst mühsam verdeutlicht werden, dass Gewalt der falsche Weg sei. "Jede Gewalttat muss eine eindrucksvolle Antwort erhalten" So sei es notwendig, jeden Jugendlichen mit seinen Gewalt-Handlungen zu konfrontieren: „Jede Gewalttat muss eine eindrucksvolle Antwort erhalten, besser eine Kette von Antworten, die den Jugendlichen erreicht.“ Hierzu müssten die Mitarbeitenden Kreativität entwickeln. Dass bei der Konfrontation mit Gewalt auch Mitarbeitende Fehler machen können, dürfe nicht unter den Teppich gekehrt werden, besser sei es, eine Mitverantwortung auch zuzugeben: „So machen Sie ihm geradezu vor, dass man daraus etwas lernen kann“, verdeutlichte der Referent. Sein Plädoyer: Gewaltvorfälle als Lernchance zu begreifen – denn nur dann gebe es letztlich einen positiven Effekt, auch wenn der Jugendliche selbst uneinsichtig bleibe. Nach dem Referat setzten sich die Tagungsteilnehmer in Arbeitsgruppen mit einigen der Thesen auseinander. Zuvor hatte Pfr. Leonhard Gronbach, Leitender Theologe der Stiftung Diakonissenhaus Friedenshort, einen Bezug vom Tagungsthema zur Passionszeit hergestellt: Jesus Christus als Prototyp unschuldig erlittener Gewalt, aber auch – von Ostern her gesehen – ein Prototyp in Sachen Gewaltprävention. In der Gesellschaft fehle nach seiner Einschätzung die Einsicht, eine Grundwahrheit anzuerkennen: „Aggressive, gewalttätige Jugendliche werden nicht als solche geboren, sondern im Laufe ihrer Sozialisation zu Gewalttätigen gemacht, abstrakt von den Verhältnissen und Umständen, dem Milieu, den Normen und Werten der Gesellschaft, konkret aber immer von Menschen.“ Wertschätzung anstelle von Gleichgültigkeit, Konsequenz und gleichermaßen Geduld mit gewalttätigen Jugendlichen sowie eine Politik, die positive Lebensbedingungen ermöglicht, gehörten zu den zentralen Aufgaben. Zweites großes Thema der Tagung war die Befristung von Arbeitsverträgen. Hierzu referierte Personalleiter Christian Neubacher. In Kleingruppen wurden dann „Problemfälle“ unter die Lupe genommen. Aktuelle Informationen aus den Regionen und von der Geschäftsführung prägten den 3. Tag. Hier stellte Pfr. Gronbach zudem in einprägenden Bildern das sozialmissionarische Projekt in Tamaham/Indien vor und warb für ein Engagement.

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