Zirkuszelt Trumpf
Zirkuszelt Trumpf
Familie Trumpf
Familie Trumpf
Rebecca Trumpf bei ihrer Hundedressur-Nummer
Rebecca Trumpf bei ihrer Hundedressur-Nummer
Jaqueline Trumpf mit kleinen Artisten bei einem Mitmach-Projekt
Jaqueline Trumpf mit kleinen Artisten bei einem Mitmach-Projekt

Ein Zirkusmotto wird zum erfolgreichen Jugendhilfe-Projekt

Erstellt von Andrea Krumm-Tzoulas |

Wie ein 12-jähriger Betreuter aus der Jugendhilfe zum Zirkus kam.

Freudenberg. »Zirkus ist unser Leben – niemals aufgeben« lautet das Motto der Zirkusfamilie Trumpf, welches ihr in schwierigen Lebensphasen Kraft und Zuversicht gespendet hat. Bis zum Sommer 2021 überwinterte der Zirkus Trumpf viele Jahre auf einem Grundstück, das der Friedenshort hierfür in unmittelbarer Nähe der Gesamtverwaltung zur Verfügung gestellt hatte. So entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung zur Zirkusfamilie. In vielen Gesprächen mit den »Trumpfs« haben wir lernen können, was hinter diesem Lebensmotto steckt und welche pragmatischen Fähigkeiten diese ­Familie durch ihr Zirkusleben trägt. Der Familien­betrieb Zirkus Trumpf zog bereits vor ca. 300 Jahren als Gauklerfamilie durch die Lande und hat sein Publikum unter anderem damals schon mit dem Bärentanz begeistert. Rebecca Trumpf gastiert mit ihrer Familie heutzutage vorwiegend an unterschiedlichen Standorten in NRW und organisiert ­darüber hinaus auch Schulprojekte und anderes mehr.

Unsere Inobhutnahmestellen und Wohngruppen wurden immer wieder durch die Vergabe von Freikarten eingeladen, die Vorstellungen des Mitmachzirkus zu erleben. Ein Zirkus bietet natürlich viel Spannendes für Kinder und ist für unterschiedlichste Kooperationen wunderbar geeignet. Neben Akrobatik, Jonglage und dem Kontakt zu ­Tieren beeindruckt auch der starke Zusammenhalt ­aller Beteiligten sehr. Das Leben der Zirkusfamilie ist von ­einem innigen Miteinander, außerordentlichem Traditionsbewusstsein und hoher Familienloyalität geprägt. Hinzu kommen ein gesunder Pragmatismus und ein hohes Verantwortungsgefühl für Menschen und Tiere, verbunden mit einer ausgeprägten Arbeitsmotivation. Ein Klima, das jungen Menschen in einer schwierigen Lebensphase authentisch neuen Lebensmut vermitteln könnte? Diese Frage haben wir in der Einrichtung Freudenberg/Siegen der Evangelischen Jugendhilfe Friedenshort bejaht!
In der Jugendhilfe erleben besonders herausfordernde Kinder und Jugendliche leider oft Maßnahmenabbrüche, obwohl sie bereits in spezialisierten Einrichtungen untergebracht wurden. Trotz individuell abgestimmter Rahmenbedingungen innerhalb der Konzepte kann für die sogenannten »Systemsprenger« eine Lösung zuweilen im Ungewöhnlichen liegen. Denn besondere Kinder benötigen besondere Rahmenbedingungen. Die Familienkultur der Zirkusfamilie bietet hierzu wertvolle Elemente an. Mit dieser Idee konfrontierte Andrea Krumm-Tzoulas, Bereichsleiterin stationäre Hilfen der Einrichtung Freudenberg/Siegen, die »Zirkus-Chefin« Rebecca Trumpf. Intensive Gespräche wurden geführt, eine Konzeption erstellt und mit den Jugendämtern abgestimmt. Am Ende stand die »Projektstelle Zirkus« für Individualmaßnahmen der Jugendhilfe, die dem Zirkus selbstverständlich auch vergütet werden.

Innerhalb des internen fachlichen Austauschs war dabei rasch ein junger Mensch im Blick, für den das Zirkusprojekt als sehr erfolgversprechend angesehen wurde: der 12-jährige Lukas (Name geändert). Schritt für Schritt wurden ­Lukas und seine Eltern, unter Begleitung einer ambulanten Fachkraft und der Fachberatung Sabine Buchen, an diese Idee herangeführt und mit dem Zirkus Trumpf bekannt gemacht. Nach einer Schnupper­phase von zwei Wochen während der Sommerferien waren sich dann alle Beteiligten einig: Lukas zieht nicht nur ein in den Zirkus, sondern auch mit ihm umher, es wird sein Lebensort auf Zeit, ambulant begleitet durch die Ev. Jugendhilfe Friedenshort. Sehr schnell zeigt sich, dass es passt mit der Zirkusfamilie um Rebecca Trumpf, die schon als Zweijährige mit einer Hand-auf-Hand-­Akrobatik mit ihrem Vater in der Manege stand. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Bequir Krasniqu hat sie acht Kinder erzogen und ist bereits Großmutter von 18 Enkeln. Ihr Partner ist für alle handwerklichen Dinge zuständig und unter anderem für alle Transportfragen. Weitere Familienmitglieder sind auch für die verschiedensten Dinge verantwortlich innerhalb und außerhalb des eigentlichen Zirkusprogramms.

Und mittendrin nun Lukas. Er schläft im eigenen Campingwagen und ist voll integriert in die alltäglichen Zirkusabläufe. Die Versorgung der Lamas, Ziegen, Pfautauben, Ponys und Hunde und das tägliche Training mit den Tieren gehören dazu, genauso wie technische Dinge, ­Reparaturen, Saubermachen und vieles mehr. Natürlich ist er auch in alle anderen Dinge des Familienlebens einer Zirkusfamilie integriert mit allen Regeln und Pflichten. Auch im aktuellen Programm der Zirkusaufführungen hat Lukas seinen Auftritt in der Manege. Nicht zu vergessen der Aspekt Lernen und Bildung! Lukas besucht das mobile Klassenzimmer der Zirkusschule, die von der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe angeboten wird. 3x Unterricht von 8 bis 13 Uhr und 2x das Bearbeiten von Lernpaketen machen die Schulwoche aus. Und die Trumpfs vermitteln, was sonst so an lebenspraktischen Fähigkeiten dazu gehört, vom Wäschelegen bis zum Sauberhalten seines kleinen Wohnbereichs. Sie haben aber auch ein Auge auf die »weichen Faktoren« und fördern ihn mit Blick auf seine sozial-emotionale Entwicklung und sein Sozialverhalten. Dies immer in enger Abstimmung mit den pädagogischen Mitarbeitenden.

»Die Veränderungen sind deutlich erkennbar, und zwar Veränderungen zum Positiven«, ziehen Andrea Krumm-Tzoulas und Sabine Buchen ein Zwischenfazit dieser besonderen Maßnahme. Dazu gehören zum Beispiel Verhaltensänderungen. »Lukas wirkt nun wesentlich ausgeglichener und offener«, so eine der Feststellungen. Weiterer positiver Aspekt ist ein deutlich besseres Selbstbewusstsein verbunden mit gestiegener Selbstsicherheit: »Und auch physisch hat er vom handfesten Zirkusleben profitiert und mehr Körperkraft entwickelt.«
Die guten Erfahrungen sind Motivation, dieses »Projekt Zirkus« auch mit anderen Kindern und Jugendlichen weiterzuführen: »Dieser Lebenskontext bietet herausfordernden Kindern und Jugendlichen einen ungewöhnlichen Rahmen und somit Möglichkeiten, sich neu einzulassen und durch die annehmende Haltung der Zirkusfamilie Akzeptanz und Sicherheit zu erleben.«

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