Beim Bau des Lehmbackofens 2010
Beim Bau des Lehmbackofens 2010
Studienreise nach Miechowitz 2006
Studienreise nach Miechowitz 2006
Im Büro im Jahr 2000
Im Büro im Jahr 2000
Ehrung zum Dienstjubiläum 2016
Ehrung zum Dienstjubiläum 2016
Fröhliches Trio: Birgit Lyongrün, Sr. Christine Killies und Helena Scherer
Fröhliches Trio: Birgit Lyongrün, Sr. Christine Killies und Helena Scherer
Haus Handjerystraße in Berlin-Friedenau
Haus Handjerystraße in Berlin-Friedenau
Birgit Lyongrün mit Bewohnerin beim Fest zum 90-jährigen Bestehen
Birgit Lyongrün mit Bewohnerin beim Fest zum 90-jährigen Bestehen

Ruhestand naht: rund 30 Jahre in Friedenau

Erstellt von Susanne Bürkle, Antje Gobel, Birgit Lyongrün |

»Die Bürokratie wird mir nicht fehlen, aber die Menschen«, sagt Birgit Lyongrün, wenn sie an 30 Jahre Friedenau zurückdenkt. Zurückdenken wird sie leider bald, denn Ende des Jahres 2020 wechselt sie in den wohlverdienten Ruhestand.

Berlin. »Die Bürokratie wird mir nicht fehlen, aber die Menschen«, sagt Birgit Lyongrün, wenn sie an 30 Jahre Friedenau zurückdenkt. Zurückdenken wird sie leider bald, denn Ende des Jahres 2020 wechselt sie in den wohlverdienten Ruhestand. Als Birgit Lyongrün anfing, wohnten in dem Haus in der Handjerystraße in Berlin-Friedenau ausschließlich Frauen verschiedenen Alters, bis die Gruppe auch für Männer geöffnet wurde. Manche der Bewohnerinnen sind im Laufe der Zeit in ihre eigene Wohnung gezogen, vier in eine Wohngemeinschaft, die Birgit Lyongrün mit ins Leben gerufen hat. Zurzeit leben 18 Menschen im Haus und ungefähr 30 Menschen arbeiten in ganz unterschiedlichen Funktionen, zum Beispiel im ­Betreuungsdienst (Tag und Nacht), in der Kunst-, Musik- und Bewegungstherapie, im Garten oder in der Hauswirtschaft – und Birgit Lyongrün nicht zu vergessen, die als Leitung den ganzen Laden zusammenhält. Bald wird sie nicht mehr täglich den Weg durch das beschauliche Friedenau einschlagen, das Gartentor öffnen und im Haus verschwinden, um ihrer Tätigkeit nachzugehen. Alle, die im Haus wohnen und arbeiten, erleben ihre Zeit dort aus ihrem eigenen Blickwinkel. Einige hatten Lust, in einem Interview darüber zu erzählen:

U.P.: Am 31.10.2020 bin ich schon 65 Jahre hier! Im katholischen Heim vorher in Rüdersdorf war es sehr streng. Ich kam zum Kaffee hierher. Es gab Schnecken, aber ich konnte keine essen. Ich musste am nächsten Tag zum Zahnarzt.
C. K.: Ich erinnere mich an die Angst, als meine Eltern nach Hause gefahren sind und ich hiergeblieben bin. Ich war traurig. Hat ganz schön lange gedauert, bis ich mich eingelebt habe.
K. S.: Ich war sehr aufgeregt und sehr motiviert. Das ist ein schönes Haus, so verwinkelt und alt.
B. Lyongrün: Die Gestaltung der Dienstpläne, als wäre es gestern gewesen. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben hier. Immer das Wohl der Bewohner/-innen im Auge zu haben, aber gleichzeitig den Mitarbeitenden mit ihren Arbeitswünschen gerecht zu werden, ist und bleibt ein Balanceakt.

Was war für Sie ein besonders wichtiges Ereignis in Friedenau?
C. K.: Dass wir immer Ausflüge gemacht haben. Mit D. war ich auf dem Südgelände und bin Draisine gefahren! Toll finde ich den Corona-Kiosk im Haus.
M. F.: Das Wichtigste für mich ist, dass ich weiter hier wohnen kann!
K. S.: Eine schöne Erinnerung ist die Kooperation mit den Lehmofenbauerinnen: Bei uns im Garten wurde ein Lehmofen gebaut, diese Aktion hat Birgit sehr unterstützt.
B. Lyongrün: Die Leitung für das Haus zu übernehmen. Besonders spannend war die Öffnung der Gruppen für männliche Bewohner.

Was waren schöne Erlebnisse in Friedenau?
K. S.: Ich habe täglich viele schöne Erlebnisse, habe alle Freiheiten und den schönsten Job hier im Hause, finde ich! Birgit unterstützt meine Ideen und lässt mich machen, ob es Fotokurs, Biografiearbeit oder Ausflüge sind.
K. Sch.: Reisen, ein anderes familiäres Zusammensein, sich kümmern, zusammen packen und sich auf das Zurückkommen freuen. Das Reiseziel ist egal, Hauptsache raus.
B. Lyongrün: Besonders hat mir das 90-jährige Jubiläum gefallen. Es gab viele Gäste, darunter auch Diakonissen. Das hat mich am meisten gefreut. Über die Jahre hat sich der Kontakt zu ihnen vertieft, ist für mich wie ein unsichtbares Band zu spüren.

Bei welchen Erlebnissen denken Sie »auweia«?
R. G.: Der erste Umgang mit dem Tod. Da dachte ich, wie kann ich das verarbeiten? Das Begleiten war neu für mich. Ich muss sagen, das ist gut gelungen. Ich wurde sehr gut unterstützt, konnte reden.
K. S.: Die älter werdenden Bewohner/-innen, wie geht es weiter? Selbst kurze Wege können die Älteren oft nicht mehr zu Fuß bewältigen. Ich wünsche mir einen Plan für Zusatzstunden zur Begleitung Sterbender, das ist nicht nebenbei zu machen.

Was hat sich im Haus und wie haben sich die Mitarbeitenden und Bewohner/-innen verändert?
C. K.: Jetzt gibt es einen Pool im Garten und Blumenkästen, die ein bisschen schief sind. Viele sind gegangen und viele sind gekommen. Der Wechsel ist für mich traurig. Manche Hunde sind auch weg.
M. F.: Am Haus ist alles gleichgeblieben, seit ich da bin. Aber ich habe ein neues Bett bekommen. Mir gefällt es, wenn die Mitarbeiter/-innen lange bleiben und das ist jetzt manchmal nicht mehr so.
B. Lyongrün: Der Garten ist zum Wohlfühlparadies geworden. Eine Oase mitten in der Stadt und gerade jetzt besonders wichtig. Im Haus wurden alle Doppelzimmer abgeschafft. Bewohner/-innen sind aus- und eingezogen, gestorben. Viele Mitarbeitende habe ich kommen und gehen sehen und Höhen und Tiefen erlebt. Die Zusammenarbeit, der Austausch und das Vertrauen miteinander ziehen sich wie ein roter Faden durch die Jahre.

Was werden Sie von Birgit Lyongrün in Erinnerung behalten?
C. K.: Dass ich sie sehr nett finde und sie mitgekommen ist zum Theaterstück.
R. G.: Hilfsbereitschaft im Kleinen wie im Großen (bei Schwierigkeiten in jeder Hinsicht). War immer eine Ansprechpartnerin für mich, wenn sie die Zeit hatte. Immer ging es darum, eine Lösung zu finden. Faszinierend finde ich ihren Ordnungssinn.
M. F.: Sie wird mir fehlen. Zu wissen, dass sie im Büro ist, ist schön, das wird mir fehlen.
M. M.: Ich möchte Birgit gern behalten. Manchmal schimpft sie auch, muss ja auch sein.
G. S.: Schöne Frau, hat im Büro gearbeitet, schreibt, das Grillen jedes Jahr.
K. S.: Das Schild »Jetzt nicht« an der Bürotür. Oft dankt sie mir für meine Arbeit. Sie zeigt viel Wertschätzung, Wohlwollen und ist unterstützend.
K. Sch.: Oft erst ein »Nein« und dann doch ein »Ja«. Altersmilde und Altersgelassenheit unterbrochen von Aufbrausen im ausgleichenden Kontrast.
K. K.: Birgit war lustig mit mir.
U. P.: Wir begrüßen uns immer, wenn wir uns begegnen, und halten manchmal einen kleinen Plausch.

... und was wird Birgit Lyongrün in Erinnerung behalten?
Haus, Hof und Garten. Die bunte Gesellschaft im Haus. Die familiäre Atmosphäre. Die Menschen, die Menschen und immer wieder die Menschen, die einen Platz in meinem Herzen behalten werden!

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