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Für die betreuten Familien ist die Corona-Krise eine Zerreißprobe. Die pädagogischen Mitarbeitenden des Friedenshortes lassen den Kontakt zu Kindern und Eltern nicht abreißen. (c) Foto: myzina / Fotolia
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Das Friedenshort-Gelände in Freudenberg aus der Luft. Ganz rechts am Wald die mehrstöckige Gesamtverwaltung. Die rund 40 Mitarbeitenden sind derzeit je zur Hälfte wöchentlich wechselnd im Home-Office.

Herausforderungen sind vielfältig: Friedenshort im Corona-Modus

Erstellt von Henning Siebel |

Mit großer Entschlossenheit reagiert das Werk auf die Herausforderung Corona - Um trotz Kontaktreduzierung Hilfen weiterhin aufrecht zu erhalten, ist man im stetigen Austausch!

Freudenberg. „Die Corona-Pandemie ist für unser Werk die vielleicht größte Herausforderung seit der Flucht und Vertreibung vom Ursprungsort in Oberschlesien 1945“, beschreibt Oberin Sr. Christine Killies die gegenwärtige Lage. In der Stiftung Diakonissenhaus Friedenshort mit Hauptsitz in Freudenberg und ihren beiden diakonisch gemeinnützigen Tochtergesellschaften Evangelische Jugendhilfe Friedenshort GmbH – Heimat für Heimatlose und Tiele-Winckler-Haus GmbH gibt es insgesamt rund 1.350 Mitarbeitende. In neun Bundesländern stehen sie zwischen Berlin und Heilbronn im Dienst für Menschen, die Hilfe benötigen und erwarten: Kinder, Jugendliche und Familien, Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen, pflegebedürftige Senioren. „Die Herausforderung ist deshalb so groß, weil wir niemanden im Stich lassen wollen, der uns anvertraut ist, und zugleich in einer Fürsorgepflicht gegenüber unseren Mitarbeitenden stehen“, betont Götz-Tilman Hadem, kaufmännischer Vorstand des Werks. Das größte Arbeitsfeld des Friedenshortes ist die Jugendhilfe mit bundesweit rund 900 Beschäftigten. Hierzu gehören alle im Sozialgesetzbuch VIII verankerten Leistungen der Hilfen zur Erziehung, die durchweg im Auftrag der Jugendämter erbracht werden. Von stationären Wohngruppen über teilstationäre Angebote wie Tagesgruppen bis hin zur ambulanten Familienhilfe. In Siegen-Wittgenstein und dem Kreis Altenkirchen gibt es zusammen rund 300 Beschäftigte an etwa 40 Standorten.

„Wir haben auf die Corona-Pandemie mit großer Entschlossenheit, aber auch der nötigen Besonnenheit reagiert“, sagt Sr. Christine. Ein Krisenstab der regionalen Leitungsverantwortlichen tagt mehrmals wöchentlich in Video-Konferenzen und berät notwendige Entscheidungen. Das Referat für Öffentlichkeitsarbeit hat innerhalb weniger Tage ein „Corona-Intranet“ für die bundesweit tätigen Mitarbeitenden eingerichtet. Hier finden sich alle wichtigen Infos zu Themen rund um die Corona-Pandemie: Infektionsschutz, Handlungsanweisungen, Anordnungen der jeweils zuständigen regionalen Behörden, aber auch Mutmachendes wie Texte und Bilder zur Besinnung oder digitale Andachten von Pfr. Christian Wagener, der im Friedenshort für Seelsorge und Fortbildung zuständig sind. „Wir aktualisieren das mehrfach täglich, auch am Wochenende. Die Rückmeldungen der Mitarbeitenden sind sehr positiv, es stärkt zudem den Zusammenhalt“, freut sich Öffentlichkeitsreferent Henning Siebel. Für die Allgemeinheit informiert der Friedenshort auf seiner Startseite aktuell über alle corona-bedingten Veränderungen in den gesamten sozial-diakonischen Arbeitsfeldern.

"Im Bereich des Kinderschutzes sind nach wie vor persönliche Kontakte und Überprüfungen möglich."

Trotzdem bleiben die Herausforderungen elementar. Die Tagesgruppen in der Region mussten bis auf Weiteres schließen, hier wurden Kinder und Jugendliche nach der Schule bis zum frühen Abend sozialpädagogisch betreut. Hilfestellung für die beteiligten Familien geht jetzt nur noch per Telefon oder Video-Chat. Gleiches gilt für die ambulanten Familienhilfen. „Die Problemkonstellationen in den Familien bleiben natürlich trotzdem bestehen, das Konfliktpotenzial ist eher größer geworden“, sagt Bereichsleiter Torsten Stephany. Die Kinder sind durch die Schulschließungen nun rund um die Uhr zuhause, die Unterstützung kann nur eingeschränkt erfolgen und die Unsicherheit und Sorge rund um Corona kommt in den Familien dazu. Torsten Stephany: „Die Situation ist für die Kolleginnen und Kollegen sehr belastend, weil sie nicht den Umfang an Hilfe aus der Ferne bieten können, der eigentlich nötig wäre. Aber sie lassen den Kontakt nicht abreißen. Im Bereich des Kinderschutzes sind nach wie vor persönliche Kontakte und Überprüfungen möglich.“

Anders gelagert sind die Herausforderungen in der stationären Jugendhilfe. In den Wohngruppen leben bis zu neun Kinder und Jugendliche unter einem Dach, rund um die Uhr sind pädagogische Mitarbeitende für sie da. „Es war recht schwierig, den jungen Menschen die notwendigen Kontaktreduzierungen begreiflich zu machen“, berichtet Bereichsleiterin Andrea Krumm-Tzoulas. Besuchskontakte sind nahezu vollständig eingeschränkt. Eine Wochenend-Heimkehr in die Herkunftsfamilie, eigentlich gängiges Element der stufenweisen Erprobung familiären Zusammenlebens und der Kontaktpflege, muss derzeit unterbleiben. Die Mitarbeitenden lassen sich einiges einfallen, um den Tagesablauf kreativ zu gestalten. Aktivitäten im Freien sind beliebt, zumal es für die Begleitung Minderjähriger zum Glück eine Ausnahme von der momentanen 2-Personen-Regel gibt. „Beim Einkaufen gab es aber schon mehrfach Probleme, weil die Geschäfte unseren Mitarbeitenden nicht die für eine Wohngruppe nötigen Mengen aushändigen wollten“, so Krumm-Tzoulas. Der Friedenshort hat daher für alle eine Bescheinigung erstellt, aus der die Zugehörigkeit zu einer Wohngruppe und die Personenzahl hervorgeht: „Wir hoffen, es hilft!“ Einen Corona-Infektionsfall gibt es in den hiesigen Wohngruppen derzeit nicht, aber alle wissen, dass dies nur eine Momentaufnahme ist. Mehr Kopfzerbrechen bereiten Krumm-Tzoulas eher die Ad-hoc-Einsätze: „Wenn wir im Rahmen unserer mit den Jugendämtern vereinbarten Rufbereitschaften zum Beispiel nachts in Familien gerufen werden, wissen wir nicht, was uns erwartet, zum Beispiel ob dort Menschen mit Infektionsverdacht leben.“ Trotz intensivsten Anstrengungen war es bisher nicht möglich, Schutzkleidung zu bekommen.

„Den Mut lassen wir aber nicht sinken, wir dürfen als Christen aus dem Glauben Kraft schöpfen“, bekräftigt Oberin Sr. Christine Killies.

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